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Eine Glosse Rad ab bei der Bahn Ein Regensturm wäscht die glänzende Fassade der Bahn hinweg ... Dahinter - wenig tragfähige Substanz! Michael L. Hübner Über dem Eingang zur Hauptpost der Stadt Neu York in Amerika steht das sich auf Herodot zurückführende Zitat geschrieben: Neither snow nor rain nor heat nor gloom of night stays these couriers from the swift completion of their appointed rounds. [Weder Schnee, noch Regen, noch Hitze noch das Dunkel der Nacht, hindert diese Kuriere an der gewissenhaften Ausführung ihrer vorgeschriebenen Runden.] ... Ja, die Neu Yorker Post ... das ist eine andere Hausnummer. Das ist ganz gewiß nicht die Deutsche Bahn ... Dazwischen liegen Welten! Potsdam, Brandenburg an der Havel. Am 22. Juno 2017 legte ein kleines Unwetter ein paar märkische Bäume um, einige der Bahn auf die Gleisanlagen und den Bahnverkehr lahm! Der Autor nachfolgender Glosse, ein gehbehinderter, halbblinder Krüppel, durfte daraufhin, mit einem Erste-Klasse-Billett in der Tasche, seine stürmisch verregnete märkische Heimat zu Fuß erkunden, bis sich eine zufällig des Wegs kommende automobilisierte Freundin nach anderthalb preußischen Meilen Fußmarsch seiner erbarmte. Nach fünfeinhalb endlosen Stunden - zwischen Brandenburg und Potsdam liegen 38 Kilometer, das sind etwa fünf preußische Meilen - erreichte der Invalide die Heimat. Für diese Strecke benötigte er also etwa eine Zeit, die um 1740 durchaus akzeptabel war. Das war, nota bene, vor der Erfindung des Geflügelten Rades! Sein darauf an die Bahn verfasstes Schreiben lautete wie folgt: Was sich die Bahn am 22. Juno 2017 im Potsdamer Hauptbahnhof in der Zeit nach 16:00 Uhr leistete, ist für mich unfassbar. Weil Bäume auf die Gleise nach Magdeburg stürzten, ging ab und in Potsdam gar nichts mehr. Absolut uninformierte, inkompetente, unvorbereitete und völlig überforderte Mitarbeiter, die ihren Fahrgästen nicht einen einzigen funktionierenden Notfallplan bieten konnten, trugen ein desaströses Bild der Bahn nach außen. Sie ließen Ihre Fahrgäste buchstäblich hilflos im Regen stehen! Eine begrenzte Zahl von Taxigutscheinen, die nicht einmal etwas nutzten, weil sich viele Taxi-Chauffeure schlicht weigerten, die Fahrgäste nach Brandenburg an der Havel zu befördern, keine Busse, keine Alternativangebot-Beratung - Nichts!!! Sie wurden von dem Unwetter buchstäblich dermaßen kalt erwischt, dass man meinen könnte, Sie wären erst gestern auf diesem Planeten gelandet. Ich habe mir als Fahrgast selbst eine Alternative gesucht und bin über Wannsee nach Belzig gefahren. Selbst auf dieser kurzen Strecke ist es der Ferkeltaxe gelungen, 20 Minuten Verspätung herauszuschinden ohne dass es irgendjemandem eingefallen wäre, den "Plusbus" in Belzig zu bitten, fünf Minuten zu warten. Telefone gibt es bei Ihnen noch nicht? In der Folge durfte ich als schwerbehinderter Krüppel etwa 10 km durch den Regensturm humpeln! Danke, dass ich dafür fast 150 Euro im Monat bezahle. Danke schön! Schande über Sie! Ich habe Sie aus alter Gewohnheit, und weil ich diesen laufenden Etikettenwechsel lächerlich finde, die Reichsbahn genannt. Das werde ich nicht wieder tun - denn ein so aberwitziger Dienstleistungsbankrott ist mir von der Deutschen Reichsbahn nicht bekannt. Absolut nicht. Michael L. Hübner Die Bahn ließ – angeblich durch eine gewisse Suzanne Scherping – replizieren: Ihre Nachricht vom:
23. Juni 2017 Mit freundlichen
Grüßen i. A. Suzanne Scherping Dieses Antwortschreiben
nun führte zu einigen erregten Diskussionen. Da wurde zum Beispiel darüber
gewettert, dass man der "Beschwerdestelle" eine teure postalische
Adresse vorhalte, anstatt die Bahnfahrgäste realitätsnah aufzufordern,
ihre Beschwerden kostengünstig an "Papierkorb, unter dem Schreibtisch"
zu senden. PS: Die von Frau Scherping oder aber dem animalischen Kollegen angeregte Inanspruchnahme des Service-Centers Fahrgastrechte, "www.bahn.de/fahrgastrechte", ist übrigens der sublime Gipfel der Kundenabwimmelung. Kennen Sie das Spielchen, das wir als Kinder spielten, wenn wir - eine Stromquelle oder Schweinemist versteckt in der Hand haltend - jemandem die Hand gaben? So ungefähr deutet sich dieses "Angebot". Es ist so sinnlos kompliziert und aufwändig, dass die cleveren Strategen bei der Bahn mit Fug und Recht hoffen dürfen, dass sich bis auf einige wenige pathologische und sozial inkompatible Querulanten niemand durch diesen Irrsinn kämpfen wird. Man stelle sich vor, die Bahn würde das wirklich enorme intellektuelle Potential, das für das Aushecken solcher schlitzohrigen Chuzpe und dem fortwährenden Erfinden neuer, wohlklingender Namen für genausowenig funktionierende Produkte zweifelsohne nötig ist, auf die Kernaufgabe eines schienengebundenen Transportmittels konzentrieren - nämlich die störungsarme und fahrplankonforme Beförderung seiner Passagiere und die Erstellung von funktionierenden Not- und Ausfallplänen zu gewährleisten, dann - ja dann wäre das ein Schritt hin zu einer echten Alternative zum Straßenverkehr. Bis dahin aber heißt es - rette sich wer kann! Und Gnade Gott den armen Teufeln, die auf dieses Verkehrssystem angewiesen sind. Der Herr erbarme sich ihrer, denn sie zählen zu den Verlorenen und Vedammten, für den das Dante-Motto gilt: Wer hier eintritt, der lasse alle Hoffnung fahren! (... am besten mit der Bahn ... ) Amen |
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009 26.06.2017 |