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Blasphemie im Gotteshaus
Wie man zu Oppeln des Herren höhnt

Jacob Paul Freiherr von Gundling, cand. med. Johann Christian Günther und dem Schweidnitzer Keller zugeeignet

Jules-Francois Savinien Lemarcou
Breslau. Die Franziskanerkirche in Oppeln ... Einiges über dem Mühlgraben gelegen, dem östlichen Seitenarm von Mütterchen Oder, erhebt sich in der Schlossstraße das imposante gotische Gewölbe mit dem 54 Meter hohen, schlanken Turm. Das Innere ist für polnische Verhältnisse noch relativ schlicht gehalten. Doch auch hier prunkt barocker Schwulst, der in seiner obszönen, goldenen Prachtentfaltung den armen Wanderrabbi Jeshua ben Marijam mit Füßen tritt. Diese Oppelner Kirche zu betreten, ja nur von außen zu betrachten, weckt in einem Chur- und Hauptstädter ambivalente Gefühle. Auch Brandenburg an der Havel besitzt eine Franziskanerkirche, nahe beim märkischen Strom gelegen. Doch sie wurde zum Ziel von Bombenangriffen und stark zerstört. Nun, in der Vorbereitung der 2015er Bundesgartenschau, ist das Gebäude zwar gesichert, aber es bleibt ein armes Krüppelchen. Das Gewölbe fehlt, der Westgiebel auch … Und es fehlt noch etwas – und das lässt keinen Neid aufkommen: Das sind die Franziskaner und ihre Litaneien.

Als das Glöckchen der Oppelner Klosterkirche zu läuten beginnt, da fängt auch das Mönchsgelaber an. Es ist in polnischer Sprache gehalten und ergeht sich in einer so sinnfreien Formelhaftigkeit, in einer so bedrückenden Monotonie, dass es einem grausen mag. Allenthalben ziert eine Darstellung des armen gekreuzigten galiläischen Wanderrabbis Jeshua das Sakralgebäude. Und man fragt sich, welche Marter den Sohn Gottes denn nun am meisten peinigt – das Kreuz oder das mit diesem Kreuz verbundene Geplärre der „Gläubigen“.

Sie beweinen nicht sein Leid – der Gedanke wäre ihnen fremd. ER ist für sie gestorben … Als ob das noch nicht genug wäre, jünseln sie ihm die Ohren voll mit ihren privaten Belangen: „Tu dies, tu jenes, hilf mir, erlöse mich ...“ Das hat ER längst getan, ihr Heiden! Aber sie lassen nicht locker.

Diese Bande von Egoisten findet in einem finster und misstrauisch dreinblickenden Franziskaner-Frater ihren Imam. Wenn er nicht gerade den vermeintlich nicht sehr gottesfürchtigen, womöglich noch atheistischen Besucher mit einem Ausdruck von Abwehr (… apage Satanas!), Misstrauen und Finsternis mustert, dann lässt er die Perlen seines Rosenkranzes zwischen seinen Fingern dahingleiten und spult in einer unsagbar blasphemischen Manier seinen Vorbetersingsang herunter, auf den die paar Frauen – sie sind in der Mehrzahl – und die wenigen anwesenden Männer ebenso monoton, dafür aber voller Inbrunst und ekstatischer Versenkung leiernd antworten.

Das geht so Minutenlang, eine Viertelstunde … Gott allein weiß, wann das enden mag. Draußen breitet derselbe Gott einen wunderschönen blauen Himmel über Oppeln aus und Mütterchen Oder zieht ihr glitzerndes Festgewand an. Ein paar Entchen paddeln gemächlich umher und loben den Herren oder das eigene Leben mit einem simplen Quak-Quak-Quak und führen damit das götzendienerische Ritual im Innern der nahen Franziskanerkirche ad absurdum.

Es mag überhaupt ein Grund sein, warum sich die antiken Pantheons samt und sonders aus dem Weltgeschehen verabschiedet haben. Den alten Göttern muss diese Dauerbeschallung durch Menschen, die sich weigern, erwachsen zu werden, derart auf den Zünder gegangen sein, dass sie den nächstbesten unter ihnen, einen unter tausenden kleinen Götzen aus Ur im Zweistromland, das kürzeste Streichholz ziehen ließen und sprachen: „Du magst nun monotheistischer Chef sein – wir sind dann mal weg!“

Dieser alttestamentarische Gott bemerkte nach einigen Jahrtausenden, auf welchen irrwitzigen Kuhhandel ER sich da eingelassen hatte und versuchte noch das ein oder andere Korrektiv, um die Canaille auf Erden zu zähmen. Nichts fruchtete. Also zeugte ER in einem Anfall von böser Genialität noch rasch einen Sohn und drückte diesem, wie der Fährmann in dem Märchen vom Teufel mit den drei goldenen Haaren, rasch die Fährstange in die Hand um des sauren Postens ledig zu werden und machte sich hernach flugs aus dem Staube. Der Junge wurde an dieses „Fährholz“ genagelt und hat seither noch das tausendfache an Leiden auszustehen. Unter anderem verursacht durch jene Tagediebe in der Oppelner Franziskanerkirche, denen die Schöpfung außerhalb der Klostermauern völlig wurscht ist, gleichwohl doch gerade sie es ist, die den Gründer des nach ihm benannten Franziskanerordens zu höchstem Entzücken veranlasste.

Doch dieser arme Mann aus Assisi wollte eben auch kaum etwas für sich und war vollauf damit beschäftigt, seinem Gotte zu danken und im Übrigen etwas für seine Mitgeschöpfe zu leisten. Das muss der Scheele in seinem grauen Kittel gründlich missverstanden haben – er und seine Mitbrüder und der ganze Rest seiner Schäfchen, die durch das enge, den Atem abschnürende Korsett des paulinischen Christentums mit all seinem „Du musst!“ und „Du darfst nicht!“ und „Du sollst!“ zu armseligen, grauen Gespenstern degeneriert wurden, die keiner irdischen Freude mehr fähig, zur nervigen Last für alle Götter, alle Menschen, alle Viecher werden.

Frage einer die Fratres, was der Rabbi meinte, da er am Kreuze hängend schmerzgepeinigt seinem himmlischen Vater zurief „Eli, Eli, lama asaphtani?“ Sie werden dir, statt mit der simplen und leicht zu durchschauenden Wahrheit, mit theosophisch sophistizierenden, gespreizten Konstrukten kommen, für die allein sie schon nichts anderes meritieren, als das Ewige Feuer der Hölle! Und die ihnen nachplappern, ohne ihr gottgegebenes Hirn zu benutzen, denen sei der Kessel mit siedendem Öl gleich nebenan reserviert. Denn sie höhnen des Herren!

Und spricht man darüber mit dem Erpelchen, das ein paar sichere Flügelschläge vom Ufer der Oder entfernt vor sich hin schwimmt, dann kommentiert es dieses Problem mit einem herzhaft einfachen und unwiderlegbaren „Quak-Quak-Quak“. Oder auch nicht. Und mit beidem hat es absolut recht. Ita te Deum laudamus! Amen.

25. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
17.09.2016