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Vier
Fäuste gegen ein Weltkulturerbe
Don. M. Barbagrigia. Havelsee. Da fährt also so ein Kleintransporter vor uns her. Auf dessen rückwärtiger Scheibe zeichnen sich die Silhouetten von Bud Spencer und Terence Hill ab. Darüber steht der Schriftzug „Weltkulturerbe“. Hmm. Darüber sollten wir mal nachdenken! Unsere Gedanken führen uns zurück in unsere Kindheit, in die siebziger Jahre, als die Spencer-Hill-Filme groß im Schwange waren. Was haben wir als Rangen über diese Filme gelacht, ihre Szenen auf dem Pausenhof der Schule nachgespielt! Wie die Bösen immer so herrlich aufs Maul bekommen haben von Hill und Spencer, wie die Schureken ihre Augen verdrehten, wenn sie wieder ein paar auf die Nuss bekamen, wie sie in selbstmörderischer Manier immer neue Attacken gegen die beiden Protagonisten anrannten, wie selbst Terence Hill als Juniorpartner immer siegreich blieb. Terence Hill, der immer mehr war als nur der Sidekick des großen Dicken! Und wie wir uns alle wünschten, wir hätten so einen großen starken Beschützer wie Buddy Spencer und könnten ob dieses Schattens und trotz eigener unbedeutender Physis wie die Gockel durch die feindlichen Linien des lokalen Rowdytums schreiten! Ja, das machte auf uns Kinder Eindruck. Die Erbärmlichkeit unserer Träumereien wurde uns nicht bewusst. Ein Mann verlässt sich auf sich selbst, auf seine Ressourcen an Verstand, Geschicklichkeit und Kraft. Nur Kinder haben das natürliche Bedürfnis nach einem großen Beschützer, weil sie im Allgemeinen per se wehrlos sind. Das zu begreifen aber ist dem kindlichen Horizont noch nicht eingängig. Auf uns Kinder, denen ein paar wenige verständige Erwachsene zu predigen versuchten, dass derjenige, der zuschlägt, damit anzeigt, dass die Grenzen seines Verstandes überschritten wurden, wirkten solche Ermahnungen und Belehrungen bestenfalls ermüdend. Das war für Adrenalin-überflutete Pubertierenden-Hirne im physiologischen Generalumbau mit all den dazu gehörenden Allmachtsphantasien nur hohles Schwuchtel-Gequatsche. Kinder- und Pubertierendenhirne können mit derlei Abstraktionen nichts beginnen. Dort drückt sich Überlegenheit nur in physischer Dominanz aus. Ja, gut, es gab auch noch Speedy Gonzales oder den Road Runner – die waren einfach nur schnell, oder Charly, die Rote Ameise, welche der Blauen Elise trotzte … Doch meistens waren die kleinen, schlauen Wichte, die mangels Masse alternativlos mit ihrem Verstand zu arbeiten gezwungen waren, bösartige Gnome, die am Ende im Kampf um ihre Interessen gegen die normalgestalteten Zeitgenossen das Nachsehen hatten. Da wurden Narrative geprägt, die – wie bei dem Besitzer dieses Kleintransporters – ein Leben lang hielten. Zumindest dann, wenn die Pubertät dieses Leben ignorierte. Wenn diese Leute sich weigerten, erwachsen zu werden. Diese Weigerung, von Herrn David Bennent in der Blechtrommel des Günter Grass so hervorragend dargestellt, bezog sich jedoch bei Oskar Matzerath nur auf dessen körperliche Größe. Die Urteilskraft von Oskarchen indes nahm fulminant zu und überholte diejenige seiner erwachsenen Zeitgenossen wie ein Lamborghini einen Fiat Punto auf einer ansonsten leeren dreispurigen deutschen Autobahn. Bei Leuten wie diesem Kleintransporterbesitzer ist es exakt umgekehrt. Der Körper wächst und nimmt nicht selten beachtliche Ausmaße an – der Geist jedoch bleibt in der Pubertät oder davor stecken: „Hau drauf“ und wenn du das nicht gewinnen kannst, dann träume wenigstens davon zu gewinnen! Weiter reicht der Grips nicht. Man möchte meinen, da wären selbst gakelnde Hühner schlauer. Wem nur dieses von roher Gewalt getragene Lösungsangebot zur Verfügung steht, der muss in diesen filmischen Klamotten – denn nichts anderes waren die Spencer-Hill-Streifen bei Licht betrachtet – natürlich ein Weltkulturerbe sehen. Schließlich lebte das uralte, traditionelle Kasperletheater von nichts anderem. Auf der rauen Insel Brittannia trieb Mr Punch die viehische Brutaliät zur Belustigung des Volkes noch auf die Spitze. Natürlich gehören Kasperle mit seiner Rute und Mr Punch zum unbestrittenen Erbe ihrer jeweiligen Nationen. Diesen Ungeist bekommt man in vielen Generationen nicht aus den Völkern herausgewaschen. Spencer und Hill setzten
das ganze Kasperle-Shema nur auf Zelluloid in Szene. Wir sagen: Nein! Dieses
Erbe schlagen wir aus. Die gute Ware wirbt immer für sich selbst. |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
09.03.2025