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        zum Landboten   | Outlander 
        (Serie)  Von der spannenden Idee zur gähnenden 
        Seifenoper  Kotofeij K. Bajun. Brandenburg 
        an der Havel. Es ist schade 
        um die Idee, denn die ist gar nicht mal so schlecht, wenn auch schon ziemlich 
        ausgelatscht. Zeitreisen … Natürlich bevorzugt in die Vergangenheit, damit 
        die Protagonisten ihre technische Überlegenheit ausspielen können. Denken 
        wir an Mark Twains „Ein Yankee an König Artus’ Hof“. … so eine Art Miniaturkonquista, 
        sozusagen.
 Denn was machten die Konquistadoren nach der Überwindung des Atlantiks 
        anderes, als eine Zeitreise zu einer waffentechnologisch niedrigeren Entwicklungsstufe 
        ihrer eigenen Spezies zu unternehmen und dort ihren Vorteil zum Schaden 
        der überfallenen und unterjochten Afrikaner und indigenen Völker auszuspielen?
 
 Orwell nutze seine Zeitmaschine zu einer Reise in die Zukunft, um mit 
        seiner Dystopie vor gefährlichen, soziodynamischen Entwicklungen zu warnen, 
        welche die Menschheit ins Verderben zu führen geeignet sind.
 
 
 Nein, es ist schon spannungsärmer, die Leute in eine bekannte Vergangenheit 
        zu expedieren und dort das Großvater-Paradoxon sorgsam zu umschiffen.
 
 Da wird also nach einer Vorlage von Diana Gabaldon eine Krankenschwester, 
        die im Dienste der britischen Armee an den Fronten des Zweiten Weltkriegs 
        Dienst tat, durch einen mysteriösen Steinkreis in den schottischen Highlands 
        in die Mitte des 18. Jahrhundert versetzt und dort mit zahlreichen Abenteuern 
        konfrontiert.
 
 Nun gut. Das positive Momentum an dieser Geschichte ist zweifelsohne, 
        dass es den humanoiden Rindviechern beiderlei Geschlechts, die außer Fressen, 
        Fernsehen, Ficken und ein bisschen, lästigem, täglichen Broterwerb nichts 
        weiter mit ihrem Leben anzufangen wissen, wahrscheinlich zum ersten Male 
        in ihrem Leben die Wörter „Culloden“ und „Bonnie Prince Charlie“ unter 
        die stumpfsinnigen Nasen reibt.
 
 Vielleicht veranlasst die Serie sogar den ein oder anderen mal zu schauen, 
        in welchem Gerümpelhaufen auf dem Dachboden der alte Schulatlas vergraben 
        ist, um herauszubekommen, wo denn dieses ominöse „Schottland“ liegt. Bildung 
        sollte immer von Nutzen sein, wenn sie auch nur in noch so kleinen Dosen 
        und in zuckersüßen kandierten Pillen verabreicht wird.
 
 Allzu bald degeneriert sich die Serie zu einer Schmonzette, die ausweislich 
        ihrer akzentuierten Schwarz-Weiß-Malerei – hier die edlen Wilden, dort 
        die fiesen Engländer – rasch in die Niederungen des cineastischen Spektrums 
        hinabsinkt.
 
 Dass die Engländer zu Beginn ihres Industrialisierungszeitalters beizeiten 
        begriffen hatten, dass die frühfeudale Gesellschaft im Norden ihrer Insel 
        auch zu deren eigenem Vorteil einer gründlichen Rosskur bedarf und die 
        Schotten deshalb nicht zuletzt ebenfalls vom Empire profitierten, das 
        klammert die Serie genauso dezent aus, wie das bereits erwähnte Großvater-Paradoxon.
 
 Zugegeben, seit Longshanks haben die Schotten immer wieder böse auf’s 
        Maul bekommen. Die Rotröcke hausten dort seit Braveheart häufig und lange 
        wie die Barbaren und ganz und gar nicht auf die feine englische Art.
 
 Ab und zu aber durften die Schotten ja immerhin einen der Ihren auf den 
        Londoner Thron setzen. Man denke nur an den verrückten Hexenbrenner James! 
        Doch lassen wir das mal einstweilen beiseite! Was verkauft sich beim breiten 
        Fernsehpublikum?
 
 Sex, Mord und Totschlag und … der Alltag des profanen Volkes, gewürzt 
        mit ein bisschen Hedwig Courths-Mahlers Träumereien von der „besseren 
        Gesellschaft“.
 
 Was die Serie auszeichnet, ist die exzellente Wahl von Kulissen und Kostümen. 
        Das mutet sehr authentisch an. Der Sinn für gezeigten Realismus bricht 
        auch mit den Tabus, dass die rohe Gewalt und deren Folgen, die dem Nackten 
        Affen nun mal immanent ist, keineswegs schamhaft weggeblendet, sondern 
        mit aller Brutalität gezeigt wird.
 
 Nun ja, seit die Yankees mit ihrem Sägeketten-Massaker Pionierarbeit auf 
        diesem Gebiet leisteten, ist das ja nun beinahe ein Muss geworden. Wer’s 
        kultivierter mag, muss halt zu arte oder 3sat wechseln.
 
 Das gilt auch für den übermäßig häufigen Geschlechtsverkehr der Protagonisten, 
        erwünscht oder erzwungen, der dem Zuschauer angeboten wird. Caitriona 
        Balfe ist eine schöne und attraktive Tochter der irischen Aphrodite und 
        andere Schauspielerinnen sind das auch – zugegeben. Von einer Serie aber 
        vom Zuschauer zu einem Spanner degradiert zu werden, ist für uns, die 
        wir beileibe keine Puritaner sind, nur noch öde, nervend und abstoßend.
 
 Mag sein, dass man damit die Geburtenrate in den demografisch defizitär 
        belasteten Wohlstandsgesellschaften anheizen will, indem man das Volk 
        animiert und juckig macht. Was nach den Zeugungsorgien des adressierten 
        Publikums herauskommt, wird die Gesellschaft jedoch bestenfalls quantitativ 
        bereichern.
 
 Mag sein, dass uns das Alter mittlerweile vor derartigen, exzessiven Bedürfnissen 
        schützt, an denen sich – um mit dem Grafen Dracula zu sprechen – „die 
        Jugend ergötzen mag“.
 
 Unterm Strich aber kommt uns der Lehrsatz des großen Sherlock Holmes ins 
        Gedächtnis: „Die Kunst des wahren Künstlers besteht darin zu wissen, wann 
        man aufhören muss!“
 
 Das gilt universell – also natürlich auch für die gesamte Serie, die zum 
        Zeitpunkt der Niederschrift dieses Aufsatzes mittlerweile sieben Staffeln 
        umfassen soll.
 
 Dass die Macher kein Ende finden und am Ende wahrscheinlich noch auf Prequels 
        und Sequels zurückgreifen, um dem Stoff den allerletzten Cent abzupressen, 
        liegt an dem bewährten Rhett-Butler-Scarlett-O’Hara-Strickmuster, dessen 
        Matrix von den sehr ansprechenden Personalien Figuren der Sassenach und 
        ihres James Fraser überzeugend bedient wird.
 
 Es mag zum Teil auch dem Umstand geschuldet sein, dass die ewigen Couchkartoffeln 
        vor allem weiblichen Geschlechts, wahrscheinlich eine blutige Revolte 
        anzetteln würden, wenn man sie mit dem Ende ihrer Träume konfrontierte. 
        Waren wir da gerade misogyn? Nee, den männlichen Couch-Kartoffeln darfst 
        du halt nicht an ihre Fußball-, Eishockey-, Damentennis- und ihre Formel-1-Übertragungen 
        gehen. Wir reden von einer Präferenzen-Verschiebung.
 
 Doch zurück zu unseren Kaugummi-Serien! War nicht auch Conan-Doyle seines 
        Holmes überdrüssig und ließ ihn gemeinsam mit Moriarty in die Reichenbach-Fälle 
        stürzen, damit das Aus-den-Fingern-saugen neuer Kriminalfälle endlich 
        ein Ende habe?
 Das System Holmes, das in der Deduktion und der scharfen Beobachtung auch 
        und gerade des Banalen begründet lag, war zunächst ebenfalls revolutionär, 
        verbrauchte sich aber mit jeder neuen Episode.
 
 Conan-Doyle war schlau genug, die Sache nicht bis zum Ende auszureizen. 
        Wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören!
 Womit Conan-Doyle jedoch nicht rechnete, war, dass er die unseligsten 
        Geist aus der Flasche gelassen hatte, den ein Schriftsteller entfesseln 
        kann: Den Ungeist dessen, der die Wirklichkeit in der Fiktion sucht und 
        am Ende zu erkennen glaubt; der sich im Labyrinth der Fiktion verliert 
        und dann nicht mehr herausfindet; der dann – süchtig geworden – mit immer 
        neuen Fiktionen dieses Handlungsstranges gefüttert werden muss.
 
 Dieser Ungeist ist jedoch sehr wohl in der Lage sich im reellen Diesseits 
        zu manifestieren und hierorts gewaltigen Schaden zu tun, wenn ihm denn 
        nicht willfahren wird.
 
 Das doofe Volk ist und bleibt eine gefährliche Masse, die regelmäßig dann 
        am gefährlichsten wird, wenn man ihm das Brot und seine Träume wegnimmt.
 
 So sind es denn just diese Träume, welche die Produzenten zu bedienen 
        haben. Damit ist jeder zur Massenwirksamkeit verurteilte Stoff, möge er 
        im Ansatz noch so brillant sein, verflucht, früher oder später zu einer 
        süßlichen Romanze degeneriert zu werden. Lieschen Meier bekommt ihren 
        literarischen Spiegel serviert, der ihr all ihre alltäglichen Querelen 
        mit Mutti, Papa, Ehemann, Geliebten, den Kinderchen, Tantchen und den 
        fiesen Arbeitskollegen in hübscher Kostümierung zeigt, wie gesagt, gewürzt 
        mit dem Quentchen Gefühlsduselei und Träumerei.
 
 Die Besetzung muss stets um neue Figuren erweitert werden, um neue Handlungsebenen 
        bespielen zu können. Scheidet der eine Bösewicht aus, muss sofort ein 
        neuer her – denn ohne dunklen Pol, ohne Schatten geht es nun mal nicht. 
        Gerade durch die Betonung des Bösen lässt sich der Liebreiz der Edlen 
        umso kontrastreicher herausarbeiten.
 
 Im Falle der Serie „Outlander“ ist diese Akzentuierung nun völlig aus 
        den Fugen geraten. Das ist schon eine Karikatur ihrer selbst. Gerade die 
        Protagonisten und ihr engstes Umfeld sind dermaßen abgehoben edel, dass 
        einen der Würgereiz befällt. Das ist schleimig, an den Publikumsgeschmack 
        anbiedernd, irreal und trägt schon deutlich pathologische Züge. Die Hauptprotagonistin 
        Claire erzwingt schon beinahe die Heiligsprechung ihrer Person und ihr 
        Partner ist selbst dann noch grundanständig, wenn er jemanden umbringt.
 
 So verkommt diese Serie zu einer Fortsetzung des mittelalterlichen Theaterspektakels 
        der untersten Kategorie, mit dem verglichen die Commedia dell’arte unbedingtes 
        Weltkulturerbe darstellt. Wenn gefoltert und gekämpft, verreckt und gestorben, 
        gefickt und gevögelt wird – dann verlängert sich die Bühne hin zu einem 
        Platz zwischen Kolosseum und mittelalterlichem Schafott.
 
 Die Instinkte, an welche das Dargebotene appelliert, sind haargenau dieselben 
        – die Zielgruppe ist es auch. Wir finden es schade. Denn die Schauspieler 
        und Schauspielerinnen sind allesamt sehr gut. Resümee: Unseres ist es 
        nicht! Wir schalten um auf arte und 3sat.
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