Verfilmung eines Romans Stanisław Lems (2002)
Kotofeij K. Bajun. Brandenburg
an der Havel. Der Große
Alte aus Krakau soll ihn nicht bis zu Ende gesehen haben. Nach der Verfilmung
befragt, äußerte er sich dem Vernehmen nach abfällig und hielt das Ganze
für ausgemachten Blödsinn. Nein, eine Liebesgeschichte sei das Letzte
gewesen, was er im Sinne gehabt hätte.
Der Titan des utopischen Romans und würdige literarische Sohn Jules
Vernes war zeit seines Lebens war ein Philosoph von höchstem Format
und – da ihm wohl klar war, wie unbeliebt die Philosophie beim gemeinen
Volke ist – verpackte er seine philosophischen Gedanken stets in utopische
Romane, die sich bei der Zielgruppe weitaus höherer Beliebtheit erfreuten,
als es die Gedanken des Plato, Cartesius, Spinoza oder Hegel waren.
Das ging nur mäßig gut. Wer je Lems genialstes Werk – die Stimme des
Herrn, gelesen hat, kann diese Aussage zweifelsohne bestätigen. Man
muss sich wie mit einer geistigen Machete durch die ersten sechzig Seiten
voll philosophisch brillanten Feuerwerks kämpfen, ehe man eine romanähnliche
Handlung geboten bekommt. Ganz schweres Geschütz für Leute, deren Horizont
nicht über Seifenoper-Niveau hinausreicht!
Das aber ist nun mal die Masse. Das sind die Bild-Leser. Das sind diejenigen,
welche die Masse der Groschen an der Kinokasse ausgeben.
Die wollen das, was sie gewohnt sind und was sie von ihren Bildschirmen
und ihrem Alltag kennen: Ohnsorgtheater, Sex und Crime, Intrigen und
Verlust, Märchenprinzessinnen und edle Kämpfer für Gerechtigkeit. Die
wollen Harlekin und Pulcinella, Hans Wurst und Papagena.
Stanisław Lem ist der unbarmherzige Scharfrichter des Intellekts: Die
guten ins Töpfchen – die schlechten ins Kröpfchen.
… und die Zahl der Schlechten ist in jedem Äon Legion!
Das ist natürlich auch den Filmemachern klar. Einen Film produzieren,
kostet viel Geld. Die Schauspieler wollen bezahlt werden, der Drehbuchschreiber
muss leben, der Regisseur und der Kameramann müssen ihre Miete bezahlen,
die Kostüme, die Kulisse, die anschließende Verkaufswerbung …
Dass ein Buch verfilmt wird, ist meistens bereits einem Ritterschlag
für Werk und Autor gleichzusetzen.
Ab diesem Augenblick aber beginnen bei hoch anspruchsvollen Werken wie
denen Lems die Konzessionen an die Kinokasse. Mach einen ebenso hoch
anspruchsvollen Film, wie beispielsweise den → „Tod eines Teemeisters“
von Herrn Inoue, dann kannst du höchstens ein paar Preise in Cannes
einsammeln und der Film verschwindet danach ungesehen und zumeist hochdefizitär
in den Archiven.
Daher gab sich der Große Lem mit seiner Verärgerung über die inadäquate
und unintendierte Umsetzung seines Meisterwerks erstmals eine kleine
philosophische Blöße. Schön – denn zuviel Perfektion verträgt wahrlich
niemand.