Bankhocker
Don
M. Barbagrigia
„Bank“ oder „Hocker“ – ja was denn
nun? Gemeint ist keines der beiden Sitzmöbel, gemeint sind
jugendliche Mitmenschen, die einer merkwürdigen Mode folgend,
seit geraumer Zeit auf Parkbänken zu glucken pflegen, wie
die Hühner auf der Stange.
Die meisten öffentlichen Ruhemöbel sind mittlerweile
ergonomisch gestaltet, passen sich den Konturen des Rückens
und der Aufsitzfläche an. Viele jungendliche Nutzer jedoch
verschmähen die orthopädischen Erwägungen der Tischler
und postieren ihren Hintern auf dem oberen Rand der Bank, ihre
dreckigen Treter auf der Sitzfläche. Das verschafft ihnen
bei unbequemer Sitzhaltung einen Höhengewinn von vielleicht
einem dreiviertel Meter. Was soll das? Was geht in den Köpfen
dieser Kinder vor?
Meistens gar nichts. Zu einem hohen Prozentsatz darf man getrost
davon ausgehen, daß es bei solchen Zeitgenossen sehr leer
ist in den für ein Organ namens Gehirn vorgesehenen Hohlräumen
des knöchernen Schädels. Philosophische oder feingeistige
Konversation wird man bei ihnen vergebens erlauschen.
Ich habe mir den Gesprächsstoff ein paar mal selbst angetan
– es ist unisono dasselbe – flacher Dummsprech, geistlos,
stupide, mit grauenhafter Syntax und horribler Grammatik auf die
archaischen Bedürfnisse dieser juvenilen Nackten Affen gerichtet.
Da diese Spezies eine geistige Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt
unter besonderer Berücksichtigung persönlicher Verantwortung
als „kraß uncool“ und damit unzumutbar ablehnt,
tangieret es sie nicht im Mindesten, daß die nächste
alte Frau, die vorbeikommt, sicher gerne ein wenig auf einer solchen
Bank verschnaufen würde. Aus mehreren Gründen verschmäht
die Greisin die Kletterei und würde gerne die ordinäre
Sitzfläche bevorzugen. Doch auch das Waschen ihrer Wäsche
fällt im fortgeschrittenen Alter nicht mehr so leicht. Daher
schleppt sie sich lieber weiter, als ihren Mantel dem Dreck auszusetzen,
der von den halbstarken Brathähnchen und ihren Möchtegern-Hennen
auf die Bank geschleppt wurde.
Was also treibt das geistig arme und dennoch unselige Jungvolk
dazu, unter unnützem Kraftaufwand lichte Höhen zu erklimmen,
wenn das doch ihrem Alltags-Credo diametral zuwider geht?
Sicher könnten die Jünger des Herrn Siegmund Freud Bände
mit möglichen Erklärungen füllen. Mir scheint eine
einleuchtend: Es müssen uneingestandene Minderwertigkeitskomplexe
sein! Das ist es! Das treibt sie in die Höhe. Sie müssen
eine Position über den Köpfen der anderen behaupten.
Das wäre dann der einzige für ihr Unterbewußtsein
greifbare Kompensationsmechanismus.
Sich einen gesellschaftlichen Rang erarbeiten, um sich demselben
Ziel zu nähern, ist schon wegen des Wortes „arbeiten“
obsolet. In diesen Niederungen des Gemeinwesens pranzt das Jung-Männchen
vor seinem weiblichen Publikum mit einem aufgemotzten Kleinwagen,
dicken Reifen, voluminösen Auspuffrohren und einer dröhnenden
Beschallungsanlage. Dabei reicht das geistige Potential eben nicht
hin, um zu erkennen, daß mit derartigem Pfauengebaren für
jedes Mädchen mit Verstand das Gegenteil dessen geradezu
plakativ erkennbar ist, was das Hähnchen an Botschaften über
sich selbst zu vermitteln wünscht.
Was aber tun, wenn die Renommierkutsche nicht bei der Hand ist,
wenn kein Beifahrersitz zur Verfügung steht, auf den man
seinen jüngst eroberten, dümmlichen Barbieverschnitt
des Gesehenwerdens halber plazieren kann? Wenn statt dessen nur
eine lausige Parkbank in Sichtweite ist?
Na, dann rauf da! Und sich ja nicht darauf niederlassen, wie gewöhnliches,
spießiges und uncooles Volk! Auch wenn kein Dröhne-Polo
vorhanden ist, steht man immer noch Meilen über solch traurigen
Gestalten, wie jener buckelkrummen Oma, die da angewackelt kommt.
Das Interessanteste an ihr ist eh nur die Handtasche, nicht wahr.
Wenn interessiert schon der langweilige Scheiß, daß
diese Frau die bekloppte Elterngeneration durch den Krieg gerettet
hat, um hinterher in wahrer Knochenarbeit Trümmersteine abzuputzen,
damit die Coolen von heute ein Dach über dem Kopf haben?
Ist doch wohl selbstverständlich, oder was!? Nicht der Rede
wert, daß diese Frau die Hölle auf Erden erlebte, weil
sich Schwachköpfe wie die Bankhocker dazumal in eine völkermordende
Rauferei treiben ließen. Ist doch alles Steinzeit, völlig
uncool! Jetzt sind die Zeiten andere. Man kann nach Herzenslust
die ewigwährende Jugendzeit mit Dummsülz, Mädchen
schwängern, saufen, kiffen und Parkbänke ruinieren verbringen.
Ab und an, als kleinen Höhepunkt gewissermaßen, gönnt
man sich auch schon mal ein abgelegenes sowjetisches Ehrenmal
für Opfer eines nationalsozialistischen Zwangsarbeitslagers.
Nachdem man die Marmortafeln mit den Namen der Opfer und die leergesoffenen
Bierpullen zerdroschen hat, kann man sich wieder auf die Suche
nach einer noch unverdreckten Parkbank machen, um sich dort auf
höherem Niveau die begangenen Heldentaten vorzuschwadronieren.
Wenn ich das so sehe, möchte ich gern zu einem dieser Canaillen
hingehen und zu ihm sprechen: „Du bist Deutschland!“
Ich verkneife es mir, denn er hätte nicht annähernd
soviel Grips, es zu verstehen. Eben weil er Deutschland ist!
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