Deutsche
Arbeitslose, ein Schattenkabinett und die Weltwirtschaft
Don M. Barbagrigia
„Ach, wie christenlîche
lachet nu der Babest…“ sang vor achthundert Jahren
Hêr Walter von der Vogelweide und meinte das selbstgefällige
Gelächter eines Papstes, der zu seinen Gunsten wieder einmal
viele seiner Schäflein übers Ohr gehauen hatte.
Die Bundesrepublik Deutschland verkündet stolz, die Arbeitslosenzahlen
wären im Herbst 2006 wären um annähernd 200.000
auf 4 ½ Millionen (!) gesunken. Hurra!
Winston Churchill soll einmal das Postulat aufgestellt haben,
daß keiner Statistik zu trauen sei, die man nicht selbst
gefälscht habe.
Nun geht hier sicher alles mit rechten Dingen zu. Die Frage ist
nur, welche Kriterien man zum Erstellen einer Statistik anlegt.
Eine realistische Senkung der Arbeitslosenzahlen würde bedeuten,
daß wieder mehr Menschen in Lohn und Brot kommen, was automatisch
zu einer Kräftigung des Binnenmarktes und damit der Steuereinnahmen
des Bundes, der Länder und der Gemeinden führt. Das
wiederum belebte die Konjunktur - der allgemeine Wohlstand wächst.
Soweit zur Theorie, die sich auch in der Praxis ganz gut bewährt,
wenn man denn, wie gesagt, die Zahlen an der Tatsachen ausrichtet.
Drückt man aber, um das Arbeitslosenheer zu dezimieren, die
Arbeitslosen in obskure, minimalistisch unterstützte Maßnahmen,
die hinterher nichts, kurzfristig aber nur die Betroffenen aus
den Zähltabellen der Bundesarbeitsagentur bringen, dann führt
das keineswegs zu einem Anstieg des Konsumpotentials.
Drückt man Lebenspartner noch einigermaßen verdienender
Mitbürger von den öffentlichen Futtertöpfen und
Bezugsquellen weg und aus den Zähltabellen der Bundesarbeitsagentur
hinaus, dann führt das keineswegs zu einem Anstieg des Konsumpotentials.
Und so könnten wir das Trauerspiel beliebig fortsetzen.
Die Bundesregierung, die sich da so selbstgefällig beweihräuchert,
ist lediglich zum Erfüllungsgehilfen, zum Clerk des internationalen
und globalisierten Kapitals geworden. Sie ist der Konkursverwalter
der Deutschen Wirtschaft. Sie ist ein Schattenkabinett. Es besteht
kein Grund zu jubeln. Ganz im Gegenteil! Die gegenwärtige
Staatsverschuldung von € 1.527.235.952.170 (Stand 01.10.2006
9:47 Uhr) nimmt pro Sekunde um über € 2.000,- zu und
verhindert die Bundesregierung bald, wenn nicht schon jetzt, alleine
den Zinsdienst noch zu bedienen.
Mit der zum 01.01.2007 geplanten Mehrwertsteuererhöhung wird
die zahlungsunfähige, deutsche Staats-Insolvenzverwaltung
– früher Bundesregierung – dem Binnenmarkt den
Rest geben und die Arbeitslosenzahlen endlich auch offiziell der
Sieben-Millionen-Marke annähern.
Mit jedem Augenblick gerät der Staat in größere
Abhängigkeit seiner Großfinanziers, wie beispielsweise
der Allianz. Verstehen Sie jetzt, warum wir die Politiker jeden
Ranges und Standes als bloße Marionetten etikettieren? Die
Richtlinien der Politik werden längst nicht mehr im Bundeskanzleramt
an der Spree festgelegt – die Vorstandsetagen der Multis
sagen in steigendem Umfang an, wo der Hase lang zu laufen hat.
Ein Trust aber ist kein Sozial- und Wohlfahrtsinstitut. Sein Ziel
ist naturgemäß einzig auf Profit und Ausschaltung der
Konkurrenz festgelegt. Das Bestreben nach Macht und Alleinherrschaft
darf sich Sentimentalitäten wie Mitgefühl und Barmherzigkeit
nicht erlauben. Das mögen die Bettler mit sich selbst haben.
Und wer von den noch Verdienenden sein Brot mit den Verlierern
der Gesellschaft teilen möchte, um sein privates Gewissen
zu beruhigen, der mag das ruhig tun. Was geht das den Konzern
an. Hauptsache, der Kerl macht an seinem Posten seinen Job –
in seiner Freizeit kann er so viele Dummheiten begehen, wie er
will.
Das ehemalige, zur leeren Hülle heruntergekommene politische
Machtzentrum im Berliner Kanzleramt und Reichstag hingegen, hat
nur noch eine Verwendung. Es soll das über-den-Tellerrand-drücken
der Leistungsschwachen legalisieren und den armen Teufeln die
Frohe Botschaft ihres Schattendaseins in einer verlogenen
Pressekonferenz nach der anderen verheuchelten Büttenrede
verkünden.
Wenn man nun einwenden möchte: „Na ja, aber mit der
Schwächung des Binnenmarktes schießt sich das Kapital
als Produzent und an Absatz interessierte Struktur doch selbst
ins Knie“, dann kann darauf nur geantwortet werden: Noch
ist die Welt groß genug, um jederzeit dort einen Absatzmarkt
zu eröffnen, wo noch etwas zu holen ist. Was früher
in die eine Richtung lief, nämlich die armen Teufel in Südostasien
im produzierenden Gewerbe schwer auszubeuten und zu verheizen
und dann den Kram im reichen Abendland unter gewaltigen Margen
zu verhökern, das funktioniert selbstredend auch in umgekehrte
Richtung. Oder ist hier jemand so verträumt zu glauben, das
Abendland hätte ein gottgegebenes Recht auf Erhalt seines
kolonialen Lebensstils? Auch in den Ländern der ehemaligen
Dritten Welt, den Milliardenvölkern Indien und China gibt
es inzwischen genug Nackte Raubaffen, die den Kapitalismus begriffen
haben. Die vor allem verstanden haben, daß die in Jahrtausenden
in ihren Völkern gewachsenen moralischen und ethischen Vorstellungen
über das Miteinander von Menschen auf dem Börsenplätzen
und nachgeordneten Tummelplätzen des Kapitals nicht nur nichts
zählen, sondern geradezu kontraproduktiv sind.
Die einzigen, die das neue System ohne Budenzauber thematisieren,
sind die Scientologen. Man haßt sie, aber sie sind ein guter
Indikator dafür, wohin sich die Menschheit bewegt –
zurück nämlich in die Fänge des Raubtierkapitalismus.
„Die Europäische Union wurde doch aber gegründet,
um…“ Aah! Sie wurde gegründet, um dem Kapital
mehr Freizügigkeit zu verschaffen. Als Guardian eines paneuropäischen
Binnenmarktes ist sie lediglich ein harmloser Papiertiger.
Das sich globalisierende Kapital spielt gegen die internationale
Liga der Ausgebeuteten eindeutig im Vorteil. Dußlige Artefakte
wie ethnische Erwägungen, die Trost und noch etwas Sicherheit
verheißende überkommenden Tradition und ähnlicher
Unfug können von den intelligenten Wirtschaftskapitänen
beinahe völlig außer Acht gelassen werden. Interessant
wird solcher Tinnef nur bei werbegestalterischen und absatzorientierten
Überlegungen. Einer Kroatin muß ich eine Tafel Schokolade
halt anders andrehen, als einem Schweden. Das war’s. Und
das Kapital kann sich sicher sein, daß die Ausgebeuteten
dieser Erde noch lange mit ihren antiquierten Querelen befaßt
sein werden, währen der lustige, multinationale Vampir die
fetten Weiden der internationalen Konsumenten nomadisierend absaugt.
Das ist der Hintergrund der frohlockenden Botschaften aus dem
Hause Merkel. Es gibt keinen Anlaß zu Optimismus und Freude.
Für uns geht es erst dann wieder aufwärts, wenn wir
ganz unten angekommen sind –aber noch befinden wir uns im
freien Fall.
Der scharfe Wind, der uns dabei um die Ohren pfeift und uns den
Atem verschlägt, belehrt uns, daß in unserer Situation
ein Fallschirm von Nutzen gewesen wäre. Aber an dem hätten
wir nähen müssen, als wir noch festen Boden unter den
Füßen hatten und das entsprechende Geld zur Verfügung.
In diesen fetten Jahren jedoch ging dem Michel „Fun haben“
und „in Urlaub auf Malle fahr’n“ über jedes
Nachdenken über die zwangsläufige Entwicklung der Weltwirtschaft.
Schon der große Tucholsky stellte fest, daß die Menschheit
nie aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Denn, was jetzt durch
schöngeredete und –gerechnete Statistikergebnisse an
Luftschlössern gebaut wird, ist eine hilflose Pappkulisse
vor einem riesigen, gähnenden Loch, dessen Existenz uns schon
vor über dreitausend Jahren der Prediger Salomon in Kapitel
12 Vers 1 ff. vorhersagte. Und dazu sagen wir: Amen!
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