Die Seele von’s
Janze
Zum Brandenburger Denkmalschutz
Ein Podiumsgespräch in der Reihe der Brandenburger Reflexionen
Michael L. Hübner
Was von deinen Vätern du ererbt,
erwirb es, um es zu besitzen! Goethe
Wir schreiben das Jahr
1348. Aus dem Nichts taucht in der Mark Brandenburg ein Mann auf,
der behauptet, der alte Markgraf Waldemar zu sein. Der letzte
Askanier ist zurück und droht, denen Wittelsbachern noch
einmal die Macht aus den Händen zu reißen. Viele Brandenburgische
Städte öffnen dem roten, dem askanischen Adler ihre
Tore, heißen ihn willkommen, schwören ihm den Treueid.
Sieben Jahre später ist das historische Intermezzo vorbei.
1355 resignierte Markgraf Waldemar oder der hochstapelnde Müller
Jakob Rehbock, der sich für den Markgrafen ausgab und wir
wissen bis heute nicht, wer da in der Schloßkirche St. Marien
zu Dessau begraben liegt. Was aber blieb, war – der rote,
der askanische Adler. Dieser Adler überdauerte die Zeiten,
selbst als 1415 sich ein anderer, ein schwarzer, ein zu ungleich
größerer Macht anwachsender - ein Hohenzollern’scher
Adler die schreckliche Interimszeit und das Raubrittertum zu überwinden
anschickte.
Ein Ausflug in
die hochdramatische, brandenburgische Historie...
Eigentlich sollte doch an dieser Stelle etwas über das jüngste
Podiumsgespräch
Brandenburger
Reflexionen geschrieben stehen, welches vom Brandenburger
Theater unter Moderation und Vorsitz seines Chefs Christian Kneisel
am 11. Dezember 2006 ausgerichtet wurde. Na, dann wollen wir mal
nicht weiter abschweifen. Vielleicht kann uns aber die Geschichte
mit den Askaniern im weiteren Verlaufe noch zu etwas nutze sein.
Doch nun zu unseren
Reflexionen:
Als Gesprächspartner wurde ein mit der Brandenburger Kultur
exponiert verbundener und kompetenter Gast geladen: Kein Geringerer
als Herr Professor Dr.-Ing. Detlef Karg, Direktor und Landeskonservator
des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und des
archäologischen Landesmuseums unterhielt sich mit Herrn Kneisel
über die „Perspektiven der Kulturpolitik im Land Brandenburg“.
Wenn Sie hier
angekommen, überlegen, ob sie den Landboten nicht besser
beiseite schöben um zur Lektüre Ihres Krimis zurückzukehren
– lassen Sie den Krimi liegen… Das hier war spannender!
Diskutiert wurde ein Thema, das offensichtlich nicht nur dem Landboten
heiß im Herzen und unter den Nägeln brennt. Das Gespräch
verfolgten der Potsdamer Herr Landtagspräsident Gunter Fritsch,
der Brandenburger Herr Generalstaatsanwalt Dr. Rautenberg, Herr
Professor Westphal vom Dom, Herr Byelyenkow von der jüdischen
Gemeinde, Frau Dr. Engst vom Brandenburger Kulturausschuß
und Herr Dr. Jung um nur einige aus dem illustren und hochkarätig
besetzten Auditorium zu nennen.
Der Umgang mit
unserem Erbe zog die Zuhörer in Brandenburgs Musentempel.
Denkmalschutz in Brandenburg – wie betrachten wir ihn, wie
gehen wir mit ihm um, wie setzen wir ihn durch. Wer da immer glaubt,
diese Frage stelle sich abseits der alleinig wichtigen, nämlich
der ökonomischen Entscheidungsprozesse, der ist unrettbar
auf dem Holzwege. Bar jeden Zweifels konnte während des Gespräches
herausgearbeitet werden, daß wirtschaftliche Prosperität
und kulturelle Identität in einer Region Hand in Hand gehen.
Kulturelle Identität aber bedeutet, daß sich die Bewohner
eines Landstriches ihrer Wurzeln und ihres Erbes bewußt
sind. Eine beinahe magische Attraktivität geht für Investoren
von Regionen aus, die sich genau diesen Bezug zu ihrer Herkunft
lebendig bewahren.
Ach, das tut gut zu erfahren, daß wir mithin nicht die Einzigen
sind, die in dieses Horn stoßen!
Nun bringen es
geschichtliche Ereignisse oft mit sich, daß ein Teil des
kulturellen Erbes verfällt, verschwindet, untergeht. Es ist,
als wären Städte, Kommunen, ja – ganze Regionen
an ihren Gliedmaßen amputiert worden, wenn Krieg, Dummheit
und Ignoranz ihnen ihre architektonischen Schmuckstücke raubten.
Der Phantomschmerz wühlt mächtig, bringt die Seele des
Heimatverbundenen ins Straucheln. Was wäre Köln ohne
seinen Dom, was Ulm ohne sein himmelstürmendes Münster?
Wie haben die Dresdner nicht Rast noch Ruhe finden können,
bevor zumindest ihre Altstadt sich wieder erhob aus den Trümmern
des Grauens!
Nun, in Preußen
liegen die Dinge so einfach nicht. Man denkt differenzierter.
Und hier begegnen wir dem Konflikt zwischen dem Roten und dem
Schwarzen Adler, den wir eingangs anschnitten. Die Allegorie wurde
von Herrn Professor Dr. Karg ins Spiel gebracht, der uns Preußen
ein Lehrstück über den Unterschied zwischen „konservieren“
und „konservativ“ mit auf den Weg gab. Die Farben
Preußens instrumentalisierend, regte er an, darüber
nachzudenken, ob wir nicht eventuell zu sehr in einem Schwarz-Weiß
Denken begriffen seien. Er, der Parteigänger des askanischen
Hauses, bevorzuge es, wenn man seinen diesbezüglichen Überlegungen
etwas mehr Farbe beimischen würde. Albrecht der Bär
und seine Successoren wählten einst Weiß und Rot. Letzteres
wird die ebenfalls anwesende PDS gefreut haben.
Dennoch, liebe Genossen von der Linken, wir warnen vor voreiligen
Schlüssen: Zur Akzeptanz des dauerhaften Verlustes unseres
baulichen Erbes aus ideologischen Gründen werden wir uns
nie und nimmer bereit finden. Und wir geben der PDS und den Ihren
zu bedenken, wer denn diese wunderbaren Gebäude einst errichtete.
Der Klassenfeind hat’s vielleicht in Auftrag gegeben und
bezahlt – gemauert hat das Proletariat. Wenig Grund also
für die Besitzer der Zukunft, dieses Erbe düpiert auszuschlagen.
Ja, wir schielen
sehnsüchtig nach Danzig und Dresden. Ja, wir bestehen auf
dem Schloß zu Berlin, dem an der Potsdamer Havel und unserem
Neustädtischen Rathause zu Brandenburg (und wenn’s
halt der „Wertkonzept“ - Entwurf werden sollte) und
die Marienkirche auf dem Berge wird unsere Träume begleiten,
solange wir leben. Selbst ihre Schemen sind nach bald dreihundert
Jahren noch immer präsenter und kräftiger als das traurige
Betongestell, dem einst die bescheidene Bismarckwarte weichen
mußte.
Aus einem anderen
Ansatz heraus aber kommen wir doch zu einem ähnlichen Ergebnis
wie Herr Professor Karg und seine Mitstreiter: Laßt uns
von Danzig lernen: Restaurieren wir die Außenhaut eines
solchen Gebäudes und passen das Innenleben den modernen Erfordernissen
an! Das wäre ein gemeinsamer Nenner, mit dem wir leben könnten.
Dabei soll nicht verhohlen sein, daß Herr Prof. Karg den
Architekten der Neuzeit mehr Gewicht zubilligen möchte, als
uns nach mancherlei Erfahrung lieb sein kann. Seinem Argument
aber, daß eine jede Zeit ihre spezifische Kunst hervorbringt,
wollen wir uns denn doch nicht verschließen. Soll es so
sein! Mitunter kommt ja auch was ganz vernünftiges dabei
rüber. Das Brandenburger Theater zumindest ist ein schöner
Bau geworden. Also gut, auf Schinkels Spuren dem Wagemut der obersten
und teilweise gekrönten preußischen Bauherren Respekt
geschuldet, wollen wir uns in preußischer Toleranz üben.
Gerechter Gott – fällt das schwer!
Er hat ja recht,
der oberste Konservator Brandenburgs: Wenn sich die gesellschaftlichen
Verhältnisse gewandelt haben, so hat es keinen Sinn, Gebäude
mit anachronistischer Raumgestaltung wieder aufzurichten, nur
um einen Publikumsmagneten zu schaffen. Gebäude müssen
leben. Lebendigkeit aber wird von der täglichen Nutzung verliehen,
nicht von Filzpantoffeln, die man sich überzieht, um beim
Durchschlurfen das Parkett zu schonen. Ja doch, das verstehen
auch wir. Ein großartiges Beispiel hierfür ist das
Kloster St. Pauli, an dem – jeder verehrte Leser des Landboten
wird es wissen – unser Herzblut hängt. Der Anblick
der Ruine trieb einem die Tränen in die Augen. Wie schön
war der Tag, als das erste Gerüst stand! Das Gebäude
aber „1:1“ wiedererstehen zu lassen, verbot sich.
Die Dominikaner- Mönche waren seit geraumer Zeit abgereist,
der religiöse Boden Brandenburgs ist mittlerweile karger
als die Sandflächen der Mark. Eine klösterliche Nutzung
schloß sich daher aus. Dennoch hatte das wertvolle Bauwerk
eine Chance, sich wie Phönix aus der buchstäblichen
Asche zu erheben. Diese Option wurde ihm vom Einzug des Landesarchäologischen
Museums eröffnet. Natürlich bedingten die Erfordernisse
der Kulturinstitution eine andere räumliche Gestaltung, als
sie die Gründer des Klosters im Sinne hatten. Der Spagat
gelang vortrefflich. Es entstand eine Symbiose aus alter Substanz,
liebevoll und behutsam konserviert und sichtbar erhalten, verbunden
mit neuzeitlicher Ergänzung und Ausbesserung und diskret
gestalteter, jeder Zeit zu revidierender Innenraumfunktionalität.
St. Pauli hat Modellcharakter! Ja, doch, so sollte man es machen!
Das ist ein gangbarer, ein verträglicher Weg.
Denn ganz offensichtlich ist hier eine große Wunde geschlossen,
der schwer verletzten Stadt eine wunderbare Prothese angepaßt
worden, die kaum noch spüren läßt, daß wir
es nicht mehr mit dem unversehrten Original zu tun haben.
Na dann los!
Worauf denn noch gewartet? Aus den Ausführungen Herrn Prof.
Kargs ergab sich für uns, daß die Stadt Brandenburg
über viele Jahre hinweg das Pferd von hinten aufzäumte.
„Wir unterstützen Vereine und Gastronomie zur Belebung
der Stadt“, wurde dem Professor von seiten der Brandenburger
Obrigkeit beschieden. Das ist zwar sicherlich die kurzfristig
billigere, aber eben auch die ertragslosere Lösung. Wir predigen
es seit Jahr und Tag: Gebt der Stadt ihre Geschlossenheit, ihre
baulichen Juwelen, ihre Unversehrtheit zurück, und die Vereine
und Gastronomen werden Euch unterstützen! Denn die Investoren
kommen dorthin, wo sie nicht nur „Humankapital“ vorfinden,
sondern Menschen und eine Kultur und eine feste Verbindung zwischen
beiden.
Im nächsten
Sommer jährt sich der Tag zum 850. Male, da der Stammvater
der märkischen Askanier, Albrecht der Bär, die Brandenburg
den Händen Fürst Jaczos entriß. Seither war die
saft- und kraftvolle Tat Parole in der Mark. Das ist die bedeutendste
Tradition, der wir verpflichtet sind und deren bauliche Zeugnisse
noch immer in großer Anzahl von der Leistung der Alten künden.
Diesen Mittelpunkt in uns gilt es zurückzuerobern, auf daß
die Mark und ihre Chur- und Hauptstadt wieder eine lohnende Zukunft
haben. Wir stehen auf den Schultern der Alten, für uns haben
sie gelebt. Ohne sie würde es uns nicht geben. Ihren Geist,
ihre Mühen, das Werk ihrer Hände zu ehren und ihre Taten
in uns fortwirken zu lassen, ist eine Ehrenschuld!
Das Brandenburger
Theater trug das Seine zu dieser Aufgabe bei, als es den Podiums-
Gesprächen zu diesem Thema seine Türen öffnete,
als es maßgebliche Damen und Herren zu diesen Gesprächen
lud, als es mit Christian Kneisel, einen exzellenten, überlegten
und kundigen Moderator präsentierte.
Die Hoffnung, an diesem Abend nachhallende Impulse ausgesandt
zu haben, ist nicht unbegründet. Wir sagen dem Vortragenden
und dem Theater Dank für die Erkenntnis, daß unsere
Herzenssache, das Erbe der Mark, nicht verloren ist, sondern weiterhin
allerorten eifrige und kluge Verfechter unter ihrem Panier versammelt.
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