Gauner
im Nadelstreifen oder „Wie verhöhne ich eine Republik?“
Zum Vergleich im Mannesmann Verfahren
Don Miquele Barbagrigia
Den 29. November 2006 wurde
in Düsseldorf am Rhein deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben.
Die 10. Wirtschaftsstrafkammer stellte das Verfahren gegen Deutsche-Bank-Chef
Ackermann und fünf andere hochrangige Wirtschaftsvertreter,
darunter den ehemaligen Mannesmann Chef Klaus Esser ein. Gegen
diese Leute war vor sechs Jahren im Zuge der Veräußerung
der Mannesmann-Tochter D2 an Vodafone wegen schwerer Untreue ermittelt
worden. Prämien in Höhe von € 57 Millionen sollen
über die Tische gewandert sein. Als der böse Handel
aufflog, der in diesen Kreisen sicher nicht außergewöhnlich
sein dürfte, stöhnte die Republik auf.
Die nationale Wirtschaft war in einer rasanten Talfahrt begriffen,
an ihr vorbei schossen die Arbeitslosenzahlen in die Höhe,
die Kaufkraft am Binnenmarkt brach großflächig weg
– und eine Kamarilla von abgehobenen Wirtschaftsmagnaten
schusterte sich Beträge zu, deren Umfang allein zu abstrahieren
den gebeutelten Arbeitslosen bereits schwer fallen dürfte.
Man stelle sich vor: ein Ingenieur bei Mannesmann hat beinahe
vier Jahrzehnte hochqualifizierte Arbeit geleistet, verliert durch
die Übernahme seinen Job und ist ein Jahr später, bedingt
durch die geistigen Ergüsse des ebenfalls auf Abwege geratenen
Peter Hartz und seines Auftraggebers – des Sozialdemokraten
Gerhard Schröder – ein Bettler. Ein paar hochkarätige
Ganoven mit Blend-a-med-Lächeln und siegeszuversichtlichem
Victory aber schustern sich Beträge zu, die dieser Ingenieur
selbst bei bestem Willen während seiner Lebenszeit kaum auf
den Kopf hauen könnte. Der Skandal war perfekt.
Nein, ich korrigiere mich: Den letzten Schliff zur Perfektion
verpaßte dieser gigantischen Lumperei erst die Aussage des
Vorsitzenden Richters Stefan Drees, der im Namen des Volkes deklamierte,
es bestünde sechs Jahre nach den Geschehnissen kein öffentliches
Interesse mehr an der strafrechtlichen Bewertung dieses Falles.
Welches Volk meint Drees? Das, was er erblickt, wenn er morgens
im Bad in den Rasierspiegel schaut? Ist ER das Volk und der Rest
nur Pöbel? Ist Dreesens Selbstgefälligkeit und Größenwahn
schon pathologisch zu betrachten? In Punkto Kaltschnäuzigkeit
aber kann das Richterlein den Großkopferten noch was vormachen:
Wenn schon die Millionenschiebung ein Affront gegen das arbeitende
Volk unglaublichen Ausmaßes war, dann ist die offenkundige
Entmündigung dieses Volkes und seine Bevormundung durch einen
Düsseldorfer Wirtschaftsrichter ein Vorgang, der gleichsam
eine neue Dimension eröffnet. Diese neue Dimension aber könnte
eine verheerende Signalwirkung auf die Stabilität der Wirtschaft
haben. Seht her, wird es fortan heißen, für zehn Prozent
von’s Ganze ist jeder Deal wohlfeil! Alles ist erlaubt,
solange die Staatskasse das Ihrige bekommt.
Beim Verschwinden jeglicher moralischer Kriterien oder auch nur
eines Gefühls für solche werden sich archaische Affenrudelmanieren,
die nur eine „Buddy-Solidarität“ kennen, schockwellenartig
vom Epizentrum „Managerebene“ bis in die letzten Winkel
der Gesellschaft ausbreiten. Keiner will zu kurz kommen, jeder
will noch einen Haps vom Kuchen abhaben – koste es, was
es wolle… Und vor allem: Jeder für sich und Gott gegen
alle! Dieses Szenario antizipierten schon die klassischen Hellenen
unter dem sprechenden Begriff des „Eisernen Zeitalters“.
Ob sich Richter Drees seiner ungeheuren Verantwortung überhaupt
bewußt ist? Das ist zu bezweifeln.
Zumindest sollten wir angesichts solcher Leute wie Drees darüber
nachdenken, wie weit sich Justiz und Rechtsprechung mittlerweile
von dem Volkskörper entfernt hat, dessen Interessen zu wahren
ihre oberste Pflicht ist.
Eine verbriefte Narrenfreiheit für Richter aber, die selbst
eine Richterschelte schon als suspekt versteht, sollte definitiv
der Vergangenheit angehören. Ein insuffizienter Richter kann
soviel Elend verursachen wie ein inkompetenter Arzt oder ein unfähiger
Brückenbau-Ingenieur. Daraus folgt, daß man diesem
Richter nicht länger gestatten soll, das Volk kurioses Recht
verkündend zu „schützen“, sondern vielmehr,
daß es dem Volke ermöglicht werden muß, sich
dauerhaft vor solchen Richtern zu bewahren.
Die Aussage der Düsseldorfer Verfahrenseinstellung lautet
unmißverständlich: für zehn Prozent Staatsbeteiligung
dürft ihr ab einer bestimmten Ebene gaunern soviel ihr wollt.
Wenn man im Übrigen davon ausgeht, daß das deutsche
(Un-) Rechtswesen auf einer Jahrhunderte langen Tradition fußt,
dann erscheint der Prozeß um den Brandenburger Räuber
Habakuk Schmauch in einem neuen Lichte, der vor etwa sechzig Jahrzehnten
mit der Räderung Herrn Schmauchs endete. Nicht die illegale
und unlizensierte „Zollstation“ im Diebesgrund westlich
von Brandenburg an der Havel hätte man dieser novellierten
Lesart zufolge dem Delinquenten hauptsächlich zur Last gelegt,
sondern vielmehr dessen permanentes Versäumnis, die Munizipalen
der Städte Brandenburg an seinem profitablen Treiben zehnprozentig
zu beteiligen.
Es geht allerdings die Mär, man habe Herrn Schmauch letztendlich
gar nicht aufs Rad geflochten. Diese Sentenz sei nur als Metapher
zu verstehen und beschreibe lediglich das Studium der Volkswirtschaft,
welches der Räuberhauptmann absolvieren mußte, um konsequenter
Weise mit dem Posten eines Vorstandsvorsitzenden einer namhaften
deutschen Bank legitimiert zu werden. Namensanpassung inklusive…
Der Schritt lag nahe, da Herr Schmauch die für jene Profession
nötigen Kenntnisse bereits aus dem FF beherrschte: Das Abziehen
und großzügige Umverteilen fremden Eigentums.
Sollte der Chef der damaligen verhandelnden brandenburgischen
Wirtschaftsstrafkammer Drees geheißen haben, dürfte
diese Variante zum Ablauf der Geschehnisse als historisch gesichert
gelten.
Wir aber wollen den Deutschen Michel fragen, ob er es nicht für
an der Zeit hielte, endlich die Zipfelmütze abzustreifen
und aufzuwachen! Das sollte man nämlich tun, wenn der Dieb
im Hause herumrumpelt um zu klauen, was das Zeug hält.
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