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München übt den Befreiungsschlag
Neues aus'm Sezessionsbräuhaus

Don M. Barbagrigia
Bayern ist ein frommes Land. Trugen die altbayerischen Soldaten noch am Koppelschloss den Wahlspruch: "In Treue fest", so sollten spätestens seit der jüngsten Offensive Horst Seehofers die Militärs ihre Gürtelschnallen gegen neuere austauschen, auf denen geschrieben stünde: "Jeder für sich und Gott für uns alle!" oder in Kurzform: "Treue? – wos a Schmarrn!"

Für mich als einen aus Palermo gebürtigen Mann ist die Geschichte voller Parallelen: War nicht Sizilien einst die handelsmächtige, stinkreiche Kornkammer Europas? Sie lachen? Dann holen sie mal das Geschichtsbuch aus dem Regal! Da wirtschaftete man im Norden noch mit Abakus und römischen Zahlen umher, als Friedrich II. von Hohenstaufen, das Staunen der Welt, auf meiner Mittelmeerinsel den modernsten und effektivsten Beamtenstaat der Welt schuf. Nicht vorstellbar im Lande der Mafia, nicht wahr? Doch, doch... damals war's.

Dann wurde der Norden reich, plünderte den Süden aus, Pülle (Apulien) und Sizilien wurden systematisch in das Armenhaus Europas verwandelt, in dessen einigen Ecke man einen Umzug nach Tirana/Albanien bereits als sozialen Aufstieg begreift.

Seit geraumer Zeit schwafelt die Lega Nord, an deren Tropf nun der arme Süden hängt, von Separation und einem eigenen Staat. Als ich diesbezüglich neulich in der Redaktion die Frage stellte, was Berlusconi und Seehofer gemeinsam hätten, verbat sich der Chef eine solche Despektierlichkeit mit den Worten, auch die Freiheit der Satire hätte Grenzen. Nein, das war nicht satirisch gemeint, das war Kynismus. Seehofer ist im Gegensatz zu Seiner Unsäglichkeit ein grundsolider Politiker. Keine Frage! Wenn man ein junges Mädel an seiner Seite sieht, kann man ganz sicher davon ausgehen, dass es sich um seine Enkelin handelt. Aber darum geht es nicht!

Es geht um die spalterischen, die sezessionistischen Tendenzen an beiden Hängen der Alpen. Es geht darum, dass die auf Kosten der anderen Landsleute reich Gewordenen nunmehr auf das Solidaritätsprinzip pfeifen. Sie wollen nicht mehr teilen. Alleine fressen macht fett! Nein, nein, gemach – noch lässt die bayerische Staatskanzlei nicht offiziell verlauten, was an den blau-weißen Stammtischen längst Standardforderung ist: die Separation vom Reiche!

Man zieht vors Bundesverfassungsgericht um die Höhe des Länderfinanzausgleichs überprüfen zu lassen. Denn, wenn man an die Hilfe für Griechenland und Portugal harte Sanierungsmaßnahmen knüpft, so ist es doch recht und billig, wenn das für die eigenen hochverschuldeten Länder ebenfalls gilt. Man mag auch der Argumentation Seehofers folgen, wenn er sagt, der Finanzausgleich sei dazu da, starke Sozialgefälle zu evaluieren und nicht die Bettler zu überflüssigem Luxus anzuregen, der sonst für deren Verhältnisse exorbitant und undenkbar wäre. Kostenlose Kindergartenplätze, Verzicht auf Studiengebühren – alles Kram, womit die Sozialdemokraten bei ihren Landtagswahlen punkten und damit den deutschen Konservativen die Stimmen im Bundesrat klauen! Und wer bezahlt's? – Die deutschen Konservativen! Da hört der Spaß definitiv auf. So weit, so gut.

Nun gibt es da aber noch ein paar Verpflichtungen aus der Vergangenheit. Dreißig Jahre hing Bayern selbst am Tropf. Das war die Zeit, als die Pfarrer den deutschen Hinterwäldlern noch von der Kanzel herab predigten, wo am Wahlsonntag das Kreuzl zu setzen sei! Das war in jenen Tagen, als man jungen Mädchen nach römischem Ritus noch den Teufel austrieb, wenn sie unter dem Druck dieser elenden vermuckerten Dorfgemeinschaften irre wurden. Dann aber bekam München die Olympischen Spiele 1972 und damit eine U-Bahn und nannte sich fortan
„Weltstadt“. Merkwürdigerweise kaufte die Welt München diesen neuen Adel anstandslos ab. Warum? Weil die global präsenten GIs, die sich von der Roten Armee den Krieg haben gewinnen lassen, in Bayern und Schwaben niedergelassen hatten. Das zeitigte die Folge, dass nun die ganze, von den Amerikanern beherrschte Welt meint, Deutschland, das sei Schwaben und Bayern. Diese Trachtenheinis mit ihrer süßlich-verlogenen Romantik stahlen dem Rest des Reiches, vornehmlich den Ländern östlich der Elbe, grandios die Show. Was wiederum bedeutete, dass sich die internationale Industrie, die sich etwas auf eine deutsche Repräsentanz zugute hielt, im Süden ansiedelte, während man sich, verirrte man sich wirklich mal in den Osten, wunderte, dass auf den Straßen Magdeburgs, Dresdens und Rostocks noch immer deutsch gesprochen werde. Man hatte eigentlich mit Polnisch, Russisch oder Tartarisch gerechnet.

Nachdem nun die Bajuwaren von allen Bonner und internationalen Seiten gestopft wurden wie die Weihnachtsgänse, schwammen sie plötzlich im Fett und klopften sich dabei selbstbewusst an die Brust: „Seht her, so macht man das! Fleiß uns Sparsamkeit und bayerische Tugenden...!“
Es ist ja alles nicht wahr.
Und wer war es denn, der Berlin seinerzeit an den Bettelstab brachte? Der Mann hatte einen Namen und ein Parteibuch: Er hieß Klaus Landowsky und ist hochrangiges Mitglied der CDU! Ach Herrjemine! So was, so was, so was! Also nicht die Sozis oder die Gott-sei-bei-uns-Kommunisten mit ihrer teuflischen Planwirtschaft haben Berlin in einen 150 Milliarden tiefen Abgrund gerissen! Die Welt steht Kopf! Zumindest die bayerische.

Und weiter im urchristlichen Text, liebe papststellenden Bayern! Steht nicht geschrieben, wer den Wind säe, werde den Sturm ernten? Applizieren wir diese Weisheit mal auf die Gegenwart: Wer nur die verlängerten Werkbänke duldet und die Primärproduktionsstandorte für sich behält, der wird über kurz oder lang die an den Bettelstab gebrachten Landsleute am Halse haben! Erst ausrauben, ausbeuten, platt walzen und dann mit der ergaunerte Kohle ab über alle Berge? Die Idee ist charmant und bei einzelnen Individuen mitunter durchaus praktikabel – aber ein ganzes Land? Horschtl, Horschtl, sieh zu, dass deine populäre Politik vom weiß-blauen Himmel nicht gemessen, gewogen und am Ende für zu leicht befunden werde! Denn wie schrieb einst schon Wilhelm Busch: Wenn einer, der mit Mühe kaum, gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär' – so irrt sich der!

22. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
18.07.2012