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Sonnenstrom statt Wirtschaftsaufschwung
Militärhistoriker gedenken der Briester Transportfliegerei

Chipfabrik Frankfurt/Oder, Zeppelinhalle Brandt, Lausitzring, der Flughafen "Willy Brandt", der nicht kommt, der Flugplatz Briest, der verschwunden ist... Brandenburg konsolidiert seinen Ruf als Land der Pleiten, Pannen und gescheiterten Innovations-Großprojekte.

J. F. - S. Lemarcou
Noch ein Besucher mehr und das Havelzimmer des Fontaneklubs wäre zu einer überdimensionierten Sardinenbüchse mutiert. Mehr als die fast 40 Leute gingen wirlich nicht mehr rein. Dabei waren es weiß Gott nicht nur die gedienten Militärs, die dem Vortrag Frank Brekows lauschten. Für die erste Veranstaltung des Jahres 2013 thematisierte der Arbeitskreis Militärgeschichte im Brandenburgischen Kulturbund e. V. 80 Jahre Militärtransportfliegerei in Briest. Briest... EDUB, Sonderlandeplatz zuletzt – eine blutende Wunde im Herzen der Chur- und Hauptstadt noch auf Jahrzehnte. Was an Entwicklungspotential für Brandenburg an der Havel in den Neunzigern brutal und zielgerichtet über Bord geworfen wurde, einer Stadt die mit einer legendären Anbindung an alle nur denkbaren Hauptverkehrswegearten Deutschlands infrastrukturell beinahe einzig dastand, ist einfach nur unfassbar. Pionierleistungen sind auf diesem Flugfeld erfolgt: Um die Traglast der ZM1 zu testen, die ihre Bomben schon in den ersten Jahren der Militärfliegerei über London abwerfen sollte, wurden Männer auf die Tragflächen der Maschine gestellt und ab ging's mit 100 km/h durch die Lüfte. Diese Tests waren nichts für schwache Nerven! Das Reich, dessen Luftfahrt vom Versailler Vertrag hart beschnitten worden war, trickste auf Teufel komm raus, um dieses Verkehrsmittel der Zukunft zu entwickeln und fähige Leute zu schulen. Und weil Briest mit seiner Nähe zur Hauptstadt immer eine prominente Rolle einnahm, wurde hier die einzige Fluglehrer-Schule des ganzen Reiches angesiedelt. Der Staat pulverte Geld ins Flugwesen – selbst wenn das hieß, dass man einen Packen Zeitungen aus Berlin mit der Transportmaschine nach Königsberg/Pr. lieferte.


Frank Brekow berichtet aus der Geschichte des Flugplatzes Briest EDUB.

"Jede einzelne Zeitung wäre unbezahlbar gewesen", wie Brekow ausführte. Aber die Alten wussten, Fliegerei bedeutet wirtschaftlichen Aufschwung. Eine Erkenntnis die den Entscheidern in der Domstadt anfangs der Neunziger völlig abhanden gekommen war. Die Dornier Do11 hob hier ab, 50 Tante Ju (Junker Ju 52) waren hier stationiert. Die nahmen notdürftig umgebaut am Polenfeldzug teil: Die Brandbomben wurden mit Kohleschippen aus den Maschinen befördert. Heinckel 177, später Mi 4 und Jak 12 – sogar eine Lockheed C 130 Hercules landete und startet einmal in den Neunzigern in Briest. Die Umrüstsätze, mit denen man die Maschinen zu Bombern umbauen konnte, lagen allesamt in Brandenburg an der Havel. Briest war C-Flugschule. Das heißt, hier wurden Piloten und Mannschaften für mehrmotorige Maschinen ausgebildet. Alles modern, alles vom feinsten. Hier pochte eines der Herzen der deutschen Luftfahrt! Diesmal war es nicht die DDR, die dem exzellenten und von den Wirtschaftsführern der Stadt dankbar angenommenen Flugplatz den Hahn abdrehten. Die Kommunisten hatten in Briest schon Jahrzehnte vor Westdeutschland ein Hubschrauber-gestütztes SAR (search and rescue) -System stationiert. Nein, es waren die Nachfolger, vorneweg ein ehemaliger Fliegeroberst und ein Oberbürgermeister, welche die Lufwaffe und die Bundeswehr gezielt und vehement vergrätzten und vergraulten. 600 Millionen DM wollte die Bundeswehr in die Ertüchtigung des Geländes investieren, Arbeitsplätze im dreistelligen Bereich sollten entstehen. Die Gehälter der Bundeswehrbediensteten hätten dem Brandenburger Einzelhandel viel Freude bereitet. Aber nein – ICE weg, Flugplatz weg, das Einzige was da bleibt in Ewigkeit sind die Wuster Schranken! Brekows Vortrag wurde geschätzt und beklatscht, das Desaster um die 2009 ein für alle Mal erloschene Lizenz des Brandenburger Sonderlandeplatzes Briest-EDUB aber trieb vielen Anwesenden noch immer die Zornesröte ins Gesicht. Aber dafür zaubert ja jetzt die liebe Sonne viel Strom auf den Briester Acker! Hurra, hurra hurra!

22. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
10.01.2013