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Aus Liebe zu den Fledermäusen
internationales Fledermausmuseum in Julianenhof geöffnet


Kleine, samtige Jäger der Nacht

Michael L. Hübner
Außer im Umgang des Nackten Affen mit Seinesgleichen bezeugt sich die menschliche Dummheit wohl in nichts so deutlich, wie in seinem Verhalten Tieren gegenüber. Die Unfähigkeit, sich in die völlig verschiedene Wesenheit der Mitkreatur hineinzuversetzen, führt entweder oftmals zu einer permanenten Vermenschlichung der Viecher, die der Nackte Raubaffe um sich duldet oder zu wütendem Hass den Mitgeschöpfen gegenüber, die er nicht versteht, oder die es wagen, um des eigenen Lebens willen das zu töten, was der Nackte Affe für sich allein beansprucht.
Da hat beispielsweise am 20. August 2010 der Berliner Kurier, eine hauptstädtische Gazette auf sehr tief angesiedeltem geistigen Niveau, einen Zähne fletschenden Wolf als reißerischen Titelaufmacher zur Auflagensteigerung gewählt und den märkischen Rotkäppchen aller Couleur wieder Wasser auf die wolfshassenden Mühlen gegossen. Sie zeigen, was sie unserer Ansicht nach selbst sind: gefährliche Bestien, auf die man genau Acht haben muss. Denn diese dummdreiste Spezies ist es ja gerade, die als profitgierige Biomasse das Leben auf diesem Planeten in noch größerem Umfange bedroht, als zuletzt die Sauerstoff produzierenden Mikroben im Erdaltertum. Und die rotteten bekanntlichermaßen 98% des damaligen anaeroben Lebens aus.
Doch ehe wir weiter geifern: Es gibt zum Glück auch die anderen: Es gibt zum Beispiel den NABU, den Naturschutzbund Deutschland, der in dem Weiler Julianenhof bei Buckow in der Märkischen Schweiz, vor den östlichen Toren Berlins, das erste internationale Fledermausmuseum der Welt eröffnet hat. Um es vorweg zu sagen: Auch wenn die infrastrukturelle Anbindung des ehemaligen Reichenberger Vorwerks durch den öffentlichen Nahverkehr ein Trauerspiel ist – von Strausberg fährt wohl ab und an mal ein Bus – und der Ritt auf dem eigenen Drahtesel ein gerüttelt Maß an Kondition, Kletter- und Leidensfähigkeit voraussetzt, der Besuch dieser liebevollen Ausstellung ist für jeden Naturfreund ein unbedingtes Muss und jeden Abstecher von der Chaussee wert!
Fledermäuschens... Verteufelt wurden sie, die kleinen Flederviecher, jahrhundertelang. Und von wem? Von geistesschwachen Christen, die in den Insektenjägern Verbündete des Bösen sahen. Schwarze Katzen und Wölfe, Raben, Eulen und Käuzchen – sie teilten alle dasselbe Schicksal.
Wohl hat die Aufklärung versucht mit all dem Unfug aufzuräumen und den Orientierungskünsten der flatternden Flugakrobaten zu wissenschaftlicher Erklärung verholfen – dennoch hält sich der ganze Vampir-Unfug bis heute und nicht wenige Frauen des 21. Jahrhunderts fürchten noch immer, das kleine Volk hätte nichts anderes zu tun, als sich auf ihre Haarpracht zu stürzen. Man ekelt sich gar vor ihnen, nicht wissend, dass es wohl kaum etwas samtig weicheres gibt als das Fellchen einer Fledermaus. Fragil sind sie und so unendlich liebenswürdig. Wer diese Tiere verfolgt, sollte selbst aktiv auf die Liste der bedrohten Arten gesetzt werden, von der es die Flattergesellen herunterzuholen gilt.
Da macht es Mut, wenn das Fledermausmuseum darüber belehrt, dass es auch Menschen gab, so in den südslawischen Ländern, die das kleine Flattervolk hoch und in Ehren hielten. Wo sie sich niederließen, da schrieb ihnen der Bauer eine gute Ernte und der Kaufmann einen guten Umsatz zu. Das wird wohl ebenfalls Unsinn gewesen sein, so wie der Volksglaube, Adebar brächte die kleinen Kinder, aber es ist immerhin ein sympathischer Unsinn.
Auf dem Areal des Geländes, das der NABU 1998 in einem von der LPG verantworteten, völlig desolatem Zustand erwarb und hernach liebevoll restaurierte, findet sich auch ein 2001 ebenfalls unter großen Mühen rekonstruierter preußischer Eiskeller. 120 m³ Rauminhalt, 40 m² Grundfläche, 5 m Tiefe und eine Mauerstärke von 1,85 sorgten im 18. Jahrhundert, als Kühlschränke erfindungsbedingt noch zur Mangelware zählten, dafür, dass man im Winter mühevoll gesägtes Eis etwa zwei Jahre lang lagern konnte. Nun die Kühlschränke zu haben sind, nahmen sich die Fledermäuschen des Gebäudes an, sehr zum Schrecken der umliegenden Legionen von Mücken, Schnaken und Fliegen. Wer die Flughaut bespannten Geschöpfe der Nacht liebt, dem zeigen sie sich auch, wie eines der beigefügten Bilder beweist. Es wurde just in diesem Eiskeller aufgenommen, an dessen Grund konstante 15° C herrschten, während draußen 32° C im Schatten gemessen wurden. Beinahe 500 Vertreter der reizenden Gattung Chiroptera, genauer gesagt der Ausflug aus der Wochenstube der Großen Bartfledermaus wurden bei der letzten Zählung am 29. Mai 2010 registriert, die den Julianenhof bevölkern. Sicher sehr zur Freude der ehrenamtlichen Leiterin des Museums Ursula Grützmacher. Ihre Mitarbeiterinnen, die begeistert und kompetent durch die liebevoll gestaltete, kleine Exhibition führen, nehmen kein Entree – freuen sich aber über jede Spende. Denn der NABU muss sein Museum finanziell selbst tragen und ist auf die Hilfe der Besucher angewiesen. An Ideen mangelt es den Freunden der Fledermäuse nicht: Auf dem Hof haben sie einen Parcour gestaltet, der die Nahrungskette der Fledermaus nachzeichnet und erfahrbar macht. Fünf schon stehende Stahlstelen werden ausgewählte Fledermausarten aus den fünf bewohnten Kontinenten vorstellen. Der interessierte Eigenheim- und Gartenbesitzer findet spezielle Dachschindeln und Nistkästen, die den Fledermäusen Unterschlupf bieten können und die Information, wie an diese Dinge zu gelangen sei. Selbst die vielen unterschiedlichen, aus dem Ultraschall in eine hörbare Frequenz „übersetzten“ Jagd- und Ortungslaute der verschiedenen Fledermausvertreter kann man sich anhören. Vielleicht auch schon bald in dem zur „Fledermausschule“ umgewidmeten Carport, das sich gerade im Aufbau befindet. Alle 1000 Fledertierarten der Welt bekommt man natürlich nicht zu sehen, zu denen auch die Flughunde zählen. Auch die 35 europäischen und selbst die 25 in Deutschland beheimateten Arten wird man nicht alle vorfinden. Von den 18 im Lande Brandenburg bekannten Arten leben jedoch 8 in Julianenhof – und mit ein bisschen Glück...
Von Mai bis Oktober hat das Fledermausmuseum die Pforten für seine Gäste geöffnet, unter denen auch und gerade Schulklassen herzlich willkommen sind. Damit endlich das dämliche Gerede von den Frisur-schändenden Blutsaugern aufhört. Den kleinen Gefährten aber wünschen wir eine erfolgreiche Jagd und im Anschluss eine angenehme Tagruhe. Und wenn sie dann kopfüber schlafend von der Decke hängen, dann lehren sie uns, wie vernünftig es mitunter sein kann, die Welt auch mal aus einem anderen Gesichtswinkel zu betrachten.


Die kleine Fledermaus schwirrt um ihren Besuch herum Fotos: hüb

Internationales Fledermausmuseum
Öffnungszeiten: Mai bis Oktober,: täglich von 10 bis 16 Uhr!
NABU Regionalverband Strausberg- Märkische Schweiz e.V.
Internationales Fledermausmuseum
Julianenhof 15 B
15377 Märkische Höhe
Telefon: 03 34 37 / 1 52 56
E-Mail: fledermausmuseum@freenet.de
Projektleiterin: Dipl. oec. Ursula Grützmacher
Tel.: 03 34 33 / 3 97
Mobil: 0170 / 1 02 46 83
E-Mail: Ursula.Gruetzmacher@gmx.de
Anfahrt: von Strausberg oder Müncheberg kommend auf der B 168 kommend, am Kreisel Richtung Bollersdorf, Alt-Friedland, dann den dritten Abzweig rechts nach Julianenhof

 

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9. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
23.12.2010