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Woher Ratten - und warum
Erika Weiss-Geissler
Dieses Kapitel wird von mir besonders ausführlich behandelt, da es
mir sehr am Herzen liegt. Es behandelt ein heikles Thema, die Meinungen
hierzu gehen zum Teil weit auseinander. Jeder, der es grundsätzlich
ablehnt, Ratten im Zooladen zu kaufen, möchte sich bitte die Zeit
nehmen und den folgenden Text aufmerksam lesen.
Ratten aus dem Zooladen?
Was spricht eigentlich dagegen?
Nun, viele Rattenliebhaber sind immer
noch der Meinung, dass dadurch die Nachfrage nach Ratten gesteigert wird
und daher immer wieder neuer "Nachschub" für die Zooläden
"produziert" wird. Wenn man aber bedenkt, dass etwa 90 % aller
gezüchteten Ratten als Futtertiere "benötigt" und
enden werden, dann sagt dies doch klar aus, dass Ratten sowieso ständig
vermehrt werden, um den enormen Bedarf zu decken (Ratten für die
Versuchstierforschung sind hier nicht berücksichtigt). An diesem
hohen "Verbrauch" wird sich auch in Zukunft nichts ändern,
denn solange es Tausende von Terrarianern gibt, so lange werden Abertausende
an Futtertieren benötigt! Daran ändert auch ein Boykott von
Zoogeschäften durch einige wenige Rattenliebhaber - im Vergleich
zu Reptilienfreunden ein verschwindend geringer Anteil - nichts. Alles
was dadurch erreicht wird ist, dass keine einzige in Zoogeschäften
angebotene Ratte mehr eine Chance bekommt, ein gutes Plätzchen zu
finden. Darunter fallen auch jene Ratten, die z. B. aus "Unfällen"
stammen und immer wieder im Zoohandel abgegeben werden.....
Die wenigen Ratten, die ich als privater
Rattenhalter aus dem Zooladen hole, fallen hinsichtlich des Gesamtbestandes
überhaupt nicht ins Gewicht. Aber ich kann ihnen durch den Kauf ein
ungewisses Schicksal ersparen (welches eigentlich ja gar nicht so ungewiss
ist, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach als Reptilienfutter enden
müssen), ihnen aber bei mir zu Hause ein besseres und gewiss ein
längeres Leben bieten. Und jede Ratte, egal wo immer sie abzugeben
oder zu verkaufen ist, verdient es, ein solches Leben führen zu dürfen!
Viele Zooläden haben immer einen gewissen Bestand an Ratten. Wäre
dies nicht so, dürfte es ja in solchen, wo noch nie nach einer Liebhaberratte
gefragt wurde, keine Ratten mehr geben, denn es fehlt ja die Nachfrage.
Leider ist das nicht so! Es kommen immer wieder Kunden, die Ratten als
Futtertiere brauchen. Es sind also nicht Rattenliebhaber, sondern Reptilienhalter
und Besitzer von anderen Tieren (solche, die Nager fressen), die zu einer
erhöhten Nachfrage beitragen. Und hinsichtlich der Steigerung der
Nachfrage nach Ratten, haben wir, haben die vielen Rattenvereine hier
nicht selber diese Nachfrage mit angekurbelt?!
Es wurde und wird regelrecht Werbung
gemacht für das Haustier Ratte. Zwar wird sie zu recht als intelligentes,
soziales und anhängliches Wesen angepriesen. Müssen wir uns
aber dann wirklich wundern, wenn auch Zooläden auf diesen Zug aufspringen?
Zoogeschäfte sind kleine oder auch größere Wirtschaftsunternehmen,
welche die Marktentwicklung genauso beobachten wie Firmen anderer Branchen
(aktuelles Beispiel die Futtermittelindustrie, die sich durch die gesteigerte
Popularität der Ratte nun auch an ihr eine goldene Nase verdient,
denn Rattenfutter liegt derzeit im Trend). Sie wollen und müssen
ihr Geld verdienen mit der Ware "Tier", ob uns das nun passt
oder nicht.
Es gab immer schon Zooläden und es wird auch immer solche geben,
die sich auch der gegebenenfalls gesteigerten Nachfrage nach Futterratten
anpassen. Dem weitaus größten Teil ist es auch so ziemlich
gleichgültig, aus welchen Gründen der Kunde Ratten bei ihm kauft.
Es wird oft behauptet, manche Zooläden gäben ihre Ratten nicht
als Futtertiere ab, sondern nur an Liebhaber. Genauso gut könnte
ich sagen, es gibt Zooläden, die verkaufen Hundeleinen nicht an solche
Besitzer, die ihre Hunde damit schlagen anstatt sie anzuleinen. Oder es
gibt Geschäfte, die verkaufen keine zuckerhaltigen Lebensmittel an
Diabetiker. Dem ist eben nicht so. Verkauft wird alles und an jeden. Und
genauso verhält es sich mit der Meinung, dass auch durch den Kauf
einer Ratte beim Futtertierzüchter (der ja zum Teil auch Zoogeschäfte
beliefert) die Nachfrage erhöht wird.
Der "Züchter" wird aber keinen Gedanken daran verschwenden,
dass er, nachdem ich bei ihm war, jetzt nur noch 498 statt 500 Futterratten
hat. Wenn diese 150 Kilogramm Ratten verkauft sind, hat er in kürzester
Zeit wieder einen riesigen Bestand, auch wenn ich nicht ein oder zwei
aus den oft schrecklichen Zuständen herausgeholt hätte! Und
überhaupt, die Ratten wissen von alledem nichts. Und wenn sie es
wüssten, würden sie zurecht fragen, wieso sie im Zooladen ihres
Schicksales harren müssen, wo sie doch selbst am wenigsten dafür
können, wo sie geboren wurden oder zum Verkauf angeboten werden.
Wer meint, kaufen würde den Ratten nicht helfen, der irrt! DEN Ratten
hilft es sicher nicht, wohl aber DER Ratte, nämlich der, die in dem
Moment ein Rattenfreund durch den Kauf vor einem schlimmen Schicksal bewahren
kann! DEN Ratten wird es aber sicher erst recht nicht helfen, kauft niemand
jemals mehr eine Ratte im Zooladen!
Von Zoos, Falknereien, Vogelparks, Terrarianern
usw. werden für die dort gehaltenen Reptilien, Vögel, Kleinsäuger
(wie Hunde- und Katzenartige) große Mengen an Futtertieren (überwiegend
Mäuse, Ratten, Eintagsküken und andere Nager) täglich benötigt!
Leider wird offensichtlich immer wieder angenommen, dass die "paar
Halter" von Schlangen ihre Futtertiere selbst nachzüchten würden.
Auch das stimmt nicht!
Dazu als Anhaltspunkt, dass die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie
und Terrarienkunde (DGHT) allein in Deutschland etwa 8.000 Mitglieder
hat, dazu kommen noch die vielen anderen Vereine und solche Terrarianer,
die nicht organisiert sind und weder einem Club noch einer anderen Vereinigung
angehören. Der überwiegende Teil der Terrarianer hält fleischfressende
Reptilien, also solche, die Ratten, Mäuse und andere Nager vertilgen.
Die DGHT gilt im übrigen als die größte Vereinigung ihrer
Art.
Leicht vorstellbar, dass angesichts solcher Mitgliederzahlen, sprich Reptilienhalter,
der immense Bedarf an Futtertieren unmöglich von privaten Terrarianern
gedeckt werden kann. Für die Futtertierzüchter, bzw. für
den Zoohandel heisst dies also nichts anderes, als dass ein stetiger,
sehr hoher Bedarf an Futtertieren besteht, der gedeckt werden muss. Wiederum
bedeutet dies, dass Futtertierzüchter immer Ratten (und andere Nager)
in Massen produzieren werden. Ich selbst kenne Futtertierzüchter
in einigen Teilen Deutschlands, die mir auf Anfrage bestätigt haben,
dass sie immer wieder auch Tiere an den Zoohandel verkaufen.
Allein ein einziger Grosshändler verkauft im Monat ca 4-5 Tonnen!
Ratten, das sind etwa 15.000!! Tiere (darin enthalten sind aber noch keine
Babyratten, die kommen noch dazu). Dieser Grosshändler kauft zusätzlich
überall "Futtertiere" an, von privaten Züchtern, aus
Zooläden und sie reichen trotzdem nicht aus, um die Nachfrage zu
befriedigen. Und das sind nur die Zahlen dieses _einen_ Händlers.
Wir haben also jährlich etwa 300.000
Ratten (von einem! Händler). Dazu an Versuchstieren weitere 450.000.
Rechnet man noch andere Futtertierhändler dazu, haben wir im Jahr
1 Million Ratten in Deutschland, die nur zum Sterben gezüchtet werden.
Dazu kommen nun noch die vielen anderen Nagetiere, wie Meerschweinchen,
Hasen, Mäuse, Hamster usw. Glaubt wirklich jemand, einige wenige
Nagetierliebhaber würden die Produktion eines Zooladens "ankurbeln",
nur weil ab und zu einige Ratten dort gekauft werden?
Es wird "gewarnt" vor Mitleidskäufen im Zoogeschäft,
aufgerufen Läden zu meiden, die einen schlechten Eindruck machen.
Warum sollte ein Rattenliebhaber gerade die Tiere meiden, die in Läden
schlecht gehalten werden, oft unzureichend Futter und Wasser zur Verfügung
haben und in ihren eigenen Ausscheidungen tagelang ausharren müssen?
Haben es diese Tiere nicht ebenso, oder gerade erst recht verdient, ein
liebevolles Zuhause zu finden? Dazu kommt noch, und ich rede hier von
eigenen "Erlebnissen", dass es keine Garantie gibt, dass ein
Tierhalter seine Ratten, auch wenn sie nicht aus dem Zooladen stammen,
unter besseren Bedingungen hält, als sie dort herrschen. Wer warnt
davor? Sollten wir nicht lieber alles daran setzen, die Haltungsbedingungen
im Laden vor Ort zu verbessern, oder wenigstens den Versuch machen, so
lange wir den Handel nicht unterbinden können?
Die Begründung, dass sofort wieder neue Ratten "produziert"
werden, wenn man beim Futtertierzüchter oder im Zoogeschäft
welche erwirbt, trifft keinesfalls zu. Ratten werden sowieso vermehrt,
weil nämlich die Nachfrage immer da ist, auch dann, wenn kein Rattenliebhaber
ab und zu ein Tier "freikauft"! Den Worten von Gisela Bulla
(Die kluge Ratte), kann und muss ich mich anschließen: " jeder,
der eine Ratte aus dem Zoogeschäft kauft, rettet sie vor dem Ende
im Schlangenmagen, oder sogar vor dem Versuch."
Niemand kann je nachprüfen, ob ein
Zoohändler auf Nachfrage die Wahrheit sagt. Kaum einer wird offen
vor besorgter Kundschaft bekennen, dass seine zum Verkauf angebotenen
süßen Hamster und Meerschweinchen (Ratten ohnehin) verfüttert
werden. Außerdem interessiert es die wenigsten Zoohändler,
was nach dem Verkauf mit ihrer "Ware" geschieht. Schließlich
verdient der Inhaber damit seinen Lebensunterhalt.
Leider klang auch schon das Argument an, wenn ich nicht allen helfen kann,
dann will ich keine mitnehmen. Es mag sicherlich unendlich schwer fallen,
alle anderen, die man nicht retten kann, zurückzulassen, aber ein
Blick in die Augen des Tieres, das man gerade dem Schicksal entrissen
hat, hilft einem sicher über die Hilflosigkeit hinweg, dass man immer
nur einigen wenigen das geben kann, was die anderen in ihrem kurzen Leben
wohl nie kennenlernen werden: Liebe und Geborgenheit!
Nimm eine Futterratte, eine Zuchtratte,
eine aus dem Zooladen oder aus dem Tierheim. Vergleiche ihr Verhalten,
ihre Anhänglichkeit, ihren Blick, wenn sie dich ansieht, ihre Lebensfreude,
ihren Spieltrieb, ihr Älterwerden und ihr Sterben und sage mir dann,
wo der Unterschied ist!
Wir werden auch in ferner Zukunft niemals
allen Ratten helfen können (ich denke hier auch an die Millionen
von Ratten, die in Versuchen unter unvorstellbaren Qualen ihr Leben lassen
müssen). Nicht zuletzt deshalb sollten wir versuchen, an einigen
wenigen das "gutzumachen", was viele Abertausende in jeder Sekunde
in ihrem armseligen Leben erleiden müssen. Der Boykott einiger weniger
Liebhaber wird ganz bestimmt nichts daran ändern, dass zumindest
Nagetiere im Zoohandel auch weiterhin angeboten werden. Leidtragende sind
und bleiben am Ende die, die boykottiert werden: die Tiere (im Zooladen).
Sollen wirklich alle Ratten darunter leiden, nur weil es Geschäftemacher
gibt, die durch den Verkauf von lebenden Tieren Profit machen wollen?
Sollen denn alle Ratten, die in Zooläden abgeboten werden, verdammt
sein ohne Ausnahme als Futtertier zu enden, nur weil immer noch der Irrglaube
vorherrscht, Ratten würden auf "Liebhabernachfrage" nachgezüchtet?!
Wir sollten umdenken ,aber einmal mehr in die Richtung, dass die Tiere
selbst am meisten darunter leiden, wenn Menschen es ablehnen, sie aufzunehmen,
nur weil sie das Pech hatten, hinter der Theke eines Zooladens, in einer
Box im Tierheim oder in einem winzigen Makrolonkäfig als Futtertier
und nicht als edles, ausgesuchtes Zuchttier auf die Welt gekommen zu sein.
Es wird sich an den Gegebenheiten auch in ferner Zukunft nichts ändern.
Futtertiere werden immer gebraucht. Auch wenn kein Liebhaber jemals mehr
eine Ratte aus einem Zooladen holt, wird es sie dort immer ausreichend
im Angebot geben. Der einzige Unterschied bestünde darin, dass ohne
unsere Hilfe, alle in Zoogeschäften befindlichen und angebotenen
Ratten (und anderen Nager) ihrem Schicksal ausgeliefert bleiben....
...und unsere Liebe zu Ratten sollte nicht vor der Tür eines Zoogeschäftes
enden !!
Ratten aus dem Tierheim? Notfallratten?
Selbstverständlich!
Auch diese Ratten warten sehnsüchtig auf ein neues Zuhause.
Es ist gut und richtig, Tiere aus dem Tierheim und/oder Notfallratten
aufzunehmen, aber ist es nicht auch so, dass viele Tiere im Tierheim abgegeben
werden, weil die Halter ihrer einfach überdrüssig werden, keine
Zeit und Lust mehr haben, sich um ihr Tier zu kümmern, es abgeben,
weil es alt und krank geworden ist und Arbeit und Geld kostet?
Ist es nicht so, dass Rattenhalter immer wieder versucht sind, selber
Würfe aufzuziehen, weil es doch so "putzig" ist, die Kleinen
aufwachsen zu sehen?
Ist es nicht so, dass aus diesen Ratten in naher Zukunft "Notfalltiere"
werden, weil der Rattenhalter in den wenigsten Fällen in der Lage
ist, seine meist grossen Würfe selbst zu behalten und er Probleme
hat, die vielen Rattenbabys in gute Hände zu vermitteln?
Ist es nicht auch so, dass eine "kontrollierte" Zucht nichts
mit Tierschutz zu tun hat, zu tun haben kann und sich selbst die grösste
Tierschutzorganisation davon distanziert, der Deutsche Tierschutzbund?
Und ist es nicht so, dass man dadurch irgendwo die Gleichgültigkeit
unterstützt, Platz schafft für neue Tiere, die nicht mehr "gebraucht"
werden? Was letztendlich bedeutet, für jedes Tier, das aus dem Tierheim
mitgenommen wird, kann dort wieder ein neues abgegeben werden, das dann
vielleicht auch nicht vermittelt wird...
Bitte nicht missverstehen! Tierheime
sind eine wichtige und notwendige Institution. Sie bieten ausgesetzten
Tieren, oder solchen, die aus welchen Gründen auch immer, dort abgegeben
werden, eine vorübergehende Bleibe. Für viele leider auch immer
wieder die Endstation in ihrem traurigen Dasein. Aber auch dort können
Tiere nicht so gehalten und versorgt werden, wie es eben auch in vielen
Zooläden oder gar in der Futtertierzucht der Fall ist. Letztendlich
sind beides Orte, an denen es Tieren schlechter gehen muss als in einem
liebevollen Zuhause.
Deshalb sollte keiner zögern, wenn ein Tierheim Ratten abzugeben
hat, aber niemand sollte das Leid einer Ratte im Tierheim höher bewerten,
als das derer, die in Zooläden und beim Futterrattenzüchter
häufig unter schlechten Bedingungen gehalten werden. Not kennt weder
Grenzen noch Örtlichkeiten, und wo immer Ratten Hilfe brauchen, sollten
wir zur Stelle sein, auch wenn uns die Gegebenheiten nicht gefallen.
Besonders wichtig erscheint mir, dass
unabhängig ihrer Herkunft alle Ratten "gleich" sind. Das
heisst, auch extra gezüchtete Ratten sind nicht gesünder oder
haben einen besseren Charakter als solche aus dem Tierheim, vom Futtertierzüchter,
aus dem Zooladen oder anderer Herkunft.
Deine Ratte wird immer das werden, was Du aus ihr machst, egal woher sie
kommt!
Der Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung der
Autorin laut mail vom 17. Mai 2007, 14:02 abgedruckt.
Quelle:
http://www.rattenzauber.de/zooladen.htm
Quellseite:
http://www.rattenzauber.de
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