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Das Plauer Fischereimuseum
traditionelle Berufskleidung
Plauer Fischer
K.
K. Bajun
Dort, wo die Havel sich entschließt, ihren Weg wieder nach Nordosten
zu nehmen, in jenem Winkel, in dem der märkische Strom einen großen
See wieder verläßt, dort liegt das Städtchen Plaue. In
diesem Ort, Sie sehen es aus dem Zeitungskopf des Preußischen Landboten,
ist der B.St.Fjøllfross Verlag beheimatet, der den Landboten herausgibt.
Das aber ist nicht die eigentliche Sensation, gleichwohl wir uns das wünschten.
Nein, das Bemerkenswerte an Plaue ist die überirdisch schöne
Landschaft, in die es eingebettet liegt.
Diese Landschaft - große Seen, die von märkischen Kiefern und
Sumpflandschaften umkränzt werden - lassen wohl niemanden unberührt,
der auch nur den Ansatz eines Auges für Schönheit und Anmut
hat.
Sicher werden das unsere Vorfahren, die auf diesem Grunde siedelten, ebenso
empfunden haben. Dennoch, satt wurden sie davon nicht.
Der märkische Boden ist für seine Kargheit berüchtigt.
Was also tun, um der Sippe vielköpfige Schar durchzubringen?
Das Naheliegendste liegt auf der Hand: Fischerei! Die ortsansässigen
Germanen und Slawen werden dieses Gewerbe relativ unkompliziert betrieben
haben. Es wurde für den Eigenbedarf gefischt - und wenn es hoch kam,
dann auch wurden die Nachbarn über die Handelswege mit kleineren
Mengen konservierten Fisch versorgt.
Später erst begann das Gezänk um Fischereirechte: Wer durfte
wieviel und mit welchen Fangmethoden aus dem See und dem Fluß holen
und wieviel hatte davon an wen abgeliefert zu werden.
So um diese Zeit herum wurde der Fischfang zu einem harten Broterwerb,
der kaum des Fischers Familie zu ernähren vermochte. Zu viele Inhaber
irgendwelcher Rechte und Privilegien wollten partout mit am Tisch sitzen.
Doch das war nicht die einzige Unbill, die die Plauer im Laufe der Zeiten
bedrohte. Durchziehende Heerscharen, von allen guten Geistern verlassene
Grundherren, Krieg und Plünderung stellten das Leben der Gemeinde
immer wieder auf eine harte Probe.
Dem Plauer Heimatverein und engagierten Mitarbeitern der DEKRA ist es
zu danken, daß das Städtchen Plaue an der Havel, das seine
urbane Unabhängigkeit gegen den durchgeknallten Schloßbesitzer
Wilhelm von Anhalt und die benachbarten Städte Brandenburg immerhin
bis in die Fünfziger Jahre zu behaupten vermochte, nunmehr im Gebäude
des ehemaligen Hotels und Gasthauses "Zum Schwarzen Adler" ein
kleines Fischereimuseum eröffnen konnte.
Das Anwesen, welches die Sammlung beherbergt, hat eine bewegte Geschichte
hinter sich. Vormals gar NSDAP-Sturmlokal, wurde es zu DDR-Zeiten ein
konfessionelles Altenheim.
Dann schlossen auch dessen Pforten und das große alte Gebäude
fiel in einen Dornröschenschlaf.
Es sind derer einige Häuser, die in Plaue dieses bedauerliche Schicksal
teilen. Man denke nur an das Schloß oder an die ganz in dessen Nähe
gelegene Apotheke vor der alten Plauer Brücke.
Doch just dieses große und in seiner Substanz sicherlich schöne
Haus, dem man auf Vorkriegs-Ansichtskarten weitaus bessere Zeiten ansieht,
scheint noch einmal Glück gehabt zu haben.
Der Plauer Heimatverein revitalisierte zumindest einen Teil der Liegenschaft,
als er den ehemaligen Saal des "Schwarzen Adlers" und späteren
Kapellraum der frommen Schwestern in eine Ausstellungsfläche zur
Geschichte der Plauer Fischerei umwandelte.
Die Mittel, die zu Gebote stehen, sind denkbar knapp. Um so erstaunlicher
ist, was fleißige und engagierte Hände aus dem Wenigen schufen.
Plauer Fischerfamilien gaben die auf sie überkommenen Relikte des
Schaffens ihrer Altvorderen als Leihgaben an die Ausstellung. Mit großem
Geschick und viel Liebe zum Detail wurde das zusammengetragene Material
von Kollegen um den DEKRA-Ingenieur Helmar Fenske arrangiert und in drei
schlüssigen Themenkomplexen vorgestellt.
Wer den Saal betritt, dessen Aufmerksamkeit wird zuallererst von einer
gewaltigen Reuse in den Bann geschlagen, die zwischen vier bis fünf
Meter hohen Stangen gespannt ist und den Raum der Länge nach teilt.
Man wähnt, auf dem Grunde des Plauer Sees zu stehen und kann sich
lebhaft vorstellen, wie sich ein Schwarm Fische in das Labyrinth der Netze
verirrt.
Die große Reuse im Zentralbereich
der Ausstellung
Rund um dieses Objekt
sind verschiedene andere Stücke gruppiert, angefangen von einem langen
Fischerkahn, einem kleinen, durchlöcherten Beikahn, der den Fang
frisch halten sollte, Utensilien für die Eisfischerei, Weidenkörben
zum Fischfang, Aalnetze, hundert Jahre alte Reparatur- und Netzflickwerkzeuge,
Eisschlitten, Schilfmäher und und und...
Eine Sektion befaßt sich mit dem obligaten Hinzuverdienst, dem sich
die Fischer widmen mußten. Denn, wie oben schon erwähnt - die
Fischerei allein konnte die Familien nicht ernähren. Und so betrieben
die Plauer Fischer in bescheidenem Umfange etwas Landwirtschaft und Tierhaltung.
Ausdrücklich zu erwähnen ist die ansteckende Begeisterung, mit
der die Angestellten dieses jüngsten Kindes der Brandenburger Museumslandschaft
ihre Exponate dem Besucher präsentieren. Die ungekünstelte Herzlichkeit,
das Fachwissen, die Sichtlenkung auf Details, die dem Betrachter möglicherweise
verborgen geblieben wären - das alles imponiert sehr.
Das traditionelle Fischereigewerbe hat in seiner Hochburg Plaue an der
Havel seit langem an Bedeutung eingebüßt. Von den einstigen
fünf Dutzend Fischern sind kaum vier Familien übrig geblieben,
die das Handwerk noch betreiben.
Dennoch war das Gewerbe einst prägend für das Werden des Städtchens
Plaue, das sogar den russischen Zaren Peter den Großen für
eine Nacht in seinen Mauern beherbergte und für eine ganz kurze Zeit
sogar an die Spitze europäischer Porzellanherstellung rückte.
(Der Preußische Landbote berichtete darüber in seinem Artikel
"Plauer Porzellan"
(http://www.landbote.com/buecher_volumen_2\plauer_porcellan.html).
Um so wichtiger und auf eine gewisse Art überfällig war die
Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Abschnitt Plauer Geschichte. Wir
geben unserer Hoffnung Ausdruck, daß dieses identitätsstiftende
Unterfangen den Plauern wieder ein engeres Verhältnis zu ihren Wurzeln
vermittelt und der wünschenswert hohen Besucherzahl interessante
Einblicke in den harten und entbehrungsreichen Alltag der Fischer vergangener
Zeiten bietet.
Ursprünglicher Sinn eines jeden Museums ist es nämlich, dem
Besucher aufzuzeigen, mit welch schwerer Arbeit und unter welchen Opfern
die Alten das Leben der Nachgeborenen, die nun staunend vor den Zeugen
der Vergangenheit stehen, überhaupt erst ermöglichen. Diese
Erkenntnis, so sie denn einmal gewonnen wurde, hilft wie nichts sonst
auf der Welt, den Wert des eigenen Daseins und Besitzes richtig zu ermessen,
Bestehendes zu schützen und Zerstörung zu verhindern.
Das kleine Plauer Fischereimuseum hat in dieser Richtung einen vortrefflichen
Ansatz gefunden und realisiert. Wir freuen uns darüber.
Das Fischereimuseum befindet sich
in der
Genthiner Straße 7 (Toreinfahrt)
(alte Bundesstraße B1)
D-14774 Plaue an der Havel
über Brandenburg an der Havel
Autobahnabgänge von Westen: A2 Abfahrt Ziesar, dann über Wusterwitz
nach Plaue/Havel, vor der neuen Havelbrücke nach rechts abbiegen
und dem Straßenverlauf ca. dreihundert Meter folgen. Hinter der
Kreuzung mit dem alten Verlauf der B1 ca. 100m auf der rechten Straßenseite
von Osten: A2 Abfahrt Brandenburg/Havel, der B1 nach Plaue folgen, hinter
der neuen Havelbrücke gleich links abbiegen, Rest wie oben.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Von Brandenburg mit der Straßenbahnlinie
2 bis Quenz, umsteigen auf Buslinie „E“ nach „Bahnhof
Kirchmöser“, Bus hält in unmittelbarer Nähe zum Museum.
Das Museum hat von Mittwoch
–Sonntag zwischen 10:00 Uhr und 17:00 Uhr geöffnet
Der Eintritt ist frei.
Eine Spende zum Unterhalt der Ausstellung ist jederzeit willkommen.
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