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Ein Konzert zu St.Marien

K. K. Bajun
„Kultur gibt’s nur in Metropolen, die Provinz gähnt. Da ist nichts rauszuholen!“ So äußerte sich jüngst ein Vertreter der Kritiken schreibenden Zunft im Gespräch. Ein dümmeres Vorurteil habe ich selten zu Gehör bekommen. Purer Nonsens! Wenn man natürlich die großen Revuen meint, das Varieté die „großen“ Tenöre oder das Kabarett von nationalem Ruf – tja, dann sollte man die großen Städte nicht verlassen.
Doch viel faszinierender sind oft die leiseren Töne. Das Unaufdringliche, das Gute, das von einfachen Menschen für einfache Menschen dargeboten wird, das wärmt mitunter das Herze mehr als die den Geldbeutel ruinierenden Abende in großer Garderobe.
Den 09. Julei 2005, abends um halb Acht boten in der Sankt Marienkirche zu Gardelegen Frau Ute Mathwig aus Herford, Violine, und Herr Axel Wolter aus Gardelegen, Orgel, einem dankbaren Publikum ein Konzert für Violine und Orgel.
Gegeben wurden Stücke von Maestro Divino Antonio Vivaldi, Cesar Franck, Joseph Rheinberger, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Benedetto Marcello, Johann Severin Svendsen, Dem Meister (Johann Sebastian Bach) und Herrn Dall’Abaco.
Lediglich die Hinzuziehung von Franck und Rheinberger machte unserem empfindlichen Gehör zu schaffen. Natürlich potenziert der dargebotene Kontrast das Gefühl für die überirdische Musik Vivaldis, Bachs und der anderen Meister der harmonischen Tonkunst. Zudem sehen wir es positiv und sind den Künstlern dankbar, daß sie bei der Formulierung dieses Kontrastes nicht zum Äußersten schritten und gar dem Zwölfton-Dämon Strawinsky ihre Kunst und Instrumente liehen.
Dennoch, der Applaus am Ende der Vorstellung war echt und ehrlich und ungekünstelt und vor allem – verdient! Wenn man nicht mit der überzogenen Erwartung an einen solchen Abend geht, die Meßlatte eines Nikolaus Harnoncourt oder Nigel Kennedy an eine Vivaldi-Interpretation zu legen, wenn man von Herrn Wolter nicht die Kunst des Orgeltracktierens abverlangt, die einem Johannes Köhler, Jiri Reinberger oder gar Dem Meister selbst zueigen war, dann bekamen die Ohren einen wahrhaft schönen Genuß vorgesetzt. Die Große Toccata et Fuga d-moll, BWV 565, die von Kennern der Materie neuerdings als aus Des Meisters Händen stammend angezweifelt wird, ließ ganz im Gegenteil Herrn Wolters organistischen Qualitäten über weite Passagen hohes Lob angedeihen. Was er seinem alten und sicher nicht im besten Zustande befindlichen Kircheninstrument hervorlockte, gemahnte schon mitunter an die enorme Wucht der Arp-Schnitger-Orgeln in den großen norddeutschen Hallenkirchen.
Soviel Resonanz vermochte die relativ kleine, dennoch fünfschiffige und von ihrer Bauweise her sehr interessante Marienkirche zu Gardelegen zwar nicht zu bieten, dennoch gelang es Herrn Wolter immer wieder einmal, diesem durch und durch gehenden Eindruck die Illusion zu verleihen.
Vielleicht sei uns gestattet, noch einmal zu appellieren, daß Vertreter der sogenannten avantgardistischen Moderne anläßlich solcher Ereignisse weniger Raum gewährt wird. Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten. Ziehen wir aber die Gesichter des Auditoriums zu Rate, denen das Leiden unter Francks gehörpeinigendem Notensalat mehrheitlich anzumerken war, so sollte man die Auswahl der dargebotenen Stücke sorgfältig überdenken.
Wir sagen es deutlich: Bis auf wenige Ausnahmen kamen die Leute nicht wegen, sondern trotz C.Franck!
Es ist dem Landboten dennoch einen herzlichen Dank an die beiden Künstler und Initiatoren für ihre Mühe und ihr Engagement wert, die tapfer und sehr beachtenswert einen respektablen Vorposten der Kultur in der ansonsten vernachlässigten Provinz behaupteten. Es macht Freude, dabei zu sein!

B 2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005