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Ulla Schmidt – eine Reminiszenz an Wandlitz

B. St. Fjøllfross
Deutschland hat eine Gesundheitsministerin, die heißt Ulla Schmidt. Ähnlich wie Oscar Wildes Goldener Prinz thront sie weit über ihren kranken Untertanen und verkündet vom ministerialen Sessel hoch über den Wolken ihre Weisheiten. Und das in einem Maße, daß man schon von Tragikomik sprechen kann.
Niemand bestreitet, daß die Krankenversicherungen, ja das ganze Wirtschaftssystem des Landes unter enormem Reformdruck stehen. Die Kassen, die für die Versorgung der Kranken zur Verfügung stehen sind leer, im Gegensatz zu denen, aus welchen die Manager dieser Unternehmen ihre Gehälter speisen. Jahrelang hat man über die Verhältnisse gelebt, immer neue Kredite aufgenommen und schließlich den Rest des Zasters in einem großen Puff während der Goldgräberzeit des Neuen Marktes zum Kamin hinausgejagt. Die Pharmaindustrie fuhr auf Kosten der Versicherten astronomische Gewinne ein und ließ es sich angelegen sein, die von ihr umworbenen Ärzte zu „Weiterbildungsveranstaltungen“ fürstlich zu umgarnen. Nun ist das Geld perdu und wo holt man’s wieder rein? Na klar! Bei der Masse des zahlenden Volkes. Das geht so: Die Beiträge zur Kranken- uns Sozialversicherung werden eher erhöht statt stabil gehalten, dafür wird der Leistungskatalog über die Schmerzgrenze hinaus zusammengeschrumpft.
Völlig neue, bürokratische Possen läßt man sich im Gesundheitsministerium einfallen, um den maladen Michel von teuren Facharztkonsultationen auf eigene Faust abzuhalten. Die Quartalsgebühr von € 10,- ist so ein Schelmenstreich.
Und allenthalben gärt und brodelt es im gequälten Volke. Die Menschen warten bis zu einer Stunde und mehr auf Überweisungen, die Wartezeiten für Behandlungen beim Hausarzt verzögern sich entsprechend. Alte und gehbehinderte Menschen wissen nicht mehr, wie sie ohne Krankentransport zum Arzt kommen sollen, respektive wie sie die ca. € 50,- für Hin- und Rückfahrt aufbringen sollen. Die Kosten für Medikamente steigen ins Unverkraftbare. Vorsorgeuntersuchungen müssen fortan selbst getragen werden. Das Gerede von den Folgekosten, die entstehen, wenn nun Krankheiten verschleppt oder nicht suffizient behandelt werden, erübrigt sich. Denn es wird keine teure Folgebehandlung geben. Die Leute überleben es oder eben nicht. Basta.
Das alles wäre vielleicht noch einsehbar.
Daß sich aber eine Gesundheitsministerin vor die Mikrophone stellt und mit vorgetragener Blauäugigkeit verkündet, sie hätte noch keine Mißstimmung von Seiten der Bevölkerung vernommen – alles laufe still klag- und reibungslos und überhaupt: die Kranken brächten das bißchen Geld für ihre Gesundheit doch gerne auf, ist eine so bodenlose Unverschämtheit, daß wir uns der verbreiteten Meinung vorbehaltlos anschließen, daß diese Frau für den Posten einer Bundesministerin untragbar ist. Friedhofsgärtnerin vielleicht, oder Museumswächterin oder Zustellerin bei der Post. Unseretwegen auch Oberförsterin. Aber um Gottes Willen einen Beruf, in dem sie durch ihr unseliges Gebrabbel keinen Flurschaden anrichtet.
Liebe Frau Schmidt, mit Ihrer vorgetragenen Abgehobenheit und Realitätsferne werden Sie wohl kaum ermessen können, welch ein Hohn Ihre Worte in den Ohren von Menschen sind, deren Einkommen um die €1000,- +/- €300,- valuiert. Von Menschen, die verzweifelt darüber sind, daß sie ambulante Arztbesuche nicht mehr wahrnehmen können.
Sie haben sich profiliert, Frau Schmidt, weiß Gott! Sie haben sich als ein lebendiges Denkmal errichtet für die Altherrengarde aus Wandlitz, die ehedem die Geschicke der Deutschen Demokratischen Republik bestimmten.
Erinnern Sie sich? Auch diese Monumente der Realitätsferne verkündeten lauthals und immer wieder den Aufbruch in rosige Zeiten für alle, während das System, das sie repräsentierten, längst marode und banquerott war. Alle Welt grinste über die alten Männer. Natürlich mit Ausnahme der D.D.R.-Bürger, denen klar war, daß die wandelnden Kalk-Beton-Mischungen es bitter ernst meinten mit ihrem senilen Geschwätz. Und in Konsequenz dessen ihre Linie auch unbarmherzig durchzogen. Bis zum bösen Ende.
Ähnliche Beschädigungen haben auch Sie sich bereits zugezogen: Während ihnen in den Arztpraxen beidseits des Tresens, von den arbeitslos gewordenen Krankenfahrern – die eh schon immer zu den Hungerleidern der Nation zählten, von den alten und kranken Sozialschwachen unisono die Schwarze Pest an den Hals gewünscht wird, kehren Sie unbekümmert den Strahlemann heraus.
Verstehen Sie mich richtig! Es sind nicht die einschneidenden Maßnahmen, die nun notwendig geworden sind – man mag über deren Ursachen zetern oder nicht. Es sind Ihre Kommentare, die Sich besser verkneifen sollten, wenn Sie denn anderes nicht zu verkünden haben.
Stellen Sie sich hin und legen Sie die Karten auf den Tisch! Sagen Sie dem Volk, das Ihr astronomisches Gehalt bezahlt: Leute, es ist hart, aber so liegen die Dinge. Laßt uns da durch! Ich fange bei mir und meinen überbezahlten Paladinen an und gemeinsam verzichten wir auf die Hälfte unseres Einkommens. Nutzt es auch nichts für die Volkswirtschaft so schafft es doch Rückendeckung und Solidaritätsgefühl, Glaubwürdigkeit und Integrität beim Volk. (Und Ihnen dürfte es nicht sonderlich schaden.)
Zeigen Sie Mitgefühl, Mensch, statt diesen Unfug über den eh schon strapazierten Äther zu schicken! Oder treten Sie einfach zurück und überlassen Sie Ihren Sessel einem Kollegen, der mindesten das Format des Hans Eichel mitbringt.
Auch der wird keine Wunder wirken können. Aber er wird unsere ohnehin schon angestrengte Situation nicht noch mit dusseligem Gerede anheizen und unsere zum Zerreißen gespannte Nerven nicht noch weiter strapazieren. Denn was wir jetzt brauchen, ist Zuversicht und nicht provokantes Gerede.

2. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003