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Wer den Wind sät ...
Islamwissenschaftler Michael Lüders redet Klartext

Kotofeij K. Bajun
Vielleicht ist es der wichtigste Wert der demokratischen Grundordnung Westeuropas, dass dieses Buch erscheinen kann und erscheint. Denn es löckt ganz gewaltig wieder den Stachel. Es räumt mit den liebgewordenen Mythen des Westens auf, dessen Tradition es seit Karl Martells Schlacht von Poitiers zu sein scheint, den sauren Mauren alles Ungemach dieser Welt in die Schuhe zu schieben.

Immer wieder tobte sich der Westen im Nahen und Mittleren Osten aus, regierte dort nach Gutsherrenmanier und behandelte die Einheimischen jahrhundertelang wie den letzten Dreck. Das schafft Hass. Das allein schon polarisiert. Doch nichts bringt die Leute so sehr auf die Palme, wie bigotte Verlogenheit. Es ist die bigotte Verlogenheit derer, die sich seit Jahrzehnten als die Hüter von Demokratie und Freiheit gerieren, die Masken jedoch sehr schnell fallen lassen, wenn es ihnen an ihre ökonomischen Interessen geht.

Lüders schlägt nachvollziehbar den Bogen vom Sturz Mossadeghs in Teheran bis in die Gegenwart. Dass die Briten gemeinsam mit der CIA die erste funktionierende Demokratie der islamischen Welt mitsamt ihrer Ausrichtung nach Westen zerstört und den Schah mitsamt seiner mörderischen Savak reinstalliert haben, gilt im deutschen Bildungsbürgertum bereits seit langem als offenes Geheimnis. Da jenes Bildungsbürgertum jedoch seit langem auf dem Rückzug ist, arbeitet Lüders diesen Fakt noch einmal sauber und deutlich heraus. Pahlewi und seine Banditen terrorisierten die eigene Bevölkerung so sehr, das diese alles Amerikanische und Westliche zu hassen begann. Natürlich war den einfachen Menschen sehr klar, wer hinter dem Putsch gegen Mossadegh stand. Und wer sie weiterhin um ihre Bodenschätze prellte.

Denn einzig und allein darum, um strategische Einflussnahme und um nichts sonst, ging es den großen Kämpfern für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte von Anbeginn. Und Lüders arbeitet das Stück um Stück heraus, eloquent, kenntnisreich und überzeugend. Lüders bringt Farbe in das Weltgeschehen und fegt mit Kompetenz und Verve das bei Ideologen so beliebte Schwarz-Weiß-Schema von der Bühne. Die Helden, die außer in Hollywood und gegen ein paar arme Mexikaner noch nie einen Krieg gewonnen haben, destabilisieren die Welt, zünden sie an allen Ecken an und hinterlassen Chaos und Leid – teils ihrer Strategie, teils ihrer Inkompetenz geschuldet. Die anderen lassen Sie's regelmäßig ausbaden.

Da sind die Amerikaner zusammen mit ihren britischen Freunden im Irak eingeritten und hinterließen den blanken Irrsinn. Sie selbst demaskierten sich in Abu Ghuraib, und in diesen schrecklichen Szenen, die sie am Liebsten unter den Teppich gekehrt hätten: Als ihre Soldateska nämlich aus Hubschraubern auf hilflose Zivilisten und Schulkinder schoss und sich diebisch ihrer Mordtaten freuten. Das machte Milliarden von Moslems rasend – und das ganz zu Recht!

Ja, wenn die Cowboys mit der entsetzlich großen Klappe und der Hybris als Welterlöser mal einen Krieg gewinnen würden! Aber das gelang ihnen das letzte Mal vor 167 Jahren gegen ein paar arme Mexikaner und seither nur noch in Hollywood. Den Zweiten Weltkrieg haben sie sich von der Roten Armee gewinnen lassen, „borgten“ sich die Atombombe von den größten Verbrechern, welche je auf dieser Weise gehaust haben, bombten Japan kaputt, versagten in Korea, Vietnam, Somalia, Irak, …
Lüders ist ein Anwalt der Araber. Er rechtfertigt weder die Taten der Extremisten noch die der ISIS-Mordbuben. Das tut er in keinster Weise. Aber Lüders tut etwas anderes: Er weckt Verständnis für die überwiegende, anständige Anzahl der Mohammedaner und für ihre in weiten Bereichen nachvollziehbare, dem Westen gegenüber so ablehnende Haltung. Und – Lüders gibt den Schlüssel mit, wie einzig dem an den Ort seines wahren Ursprungs zurückkehrenden Terrorismus zu wehren ist: Indem man den Feind im eigenen Land erkennt. Da wäre das unreflektierte Konsumieren als Billigheimer im reichen Westen, was die gewissenlosen Rohstoff- und Marktacquisiteure aus dem Westen erst auf den Plan ruft.

Es ist der erbarmungslose Neokolonialismus, der nach dem Prinzip des dritten Newton'schen Axioms „actio est reactio“ die Moslems gegen westliche Werte und Säkularisation aufbringt. Es ist das unsägliche Auftreten des gierigen und skrupellosen Westens in den Ländern des Islam seit dem Massaker von Jerusalem stärkt in dieser Gegend der Welt die Extremisten und hirnlosen Fanatiker! Dort muss der Hebel angesetzt werden. Das lehrt die Lektüre des Lüders'schen Buches. Nur der Respekt vor den Völkern Mohammeds und eine Kehrtwende weg von gnadenloser Ausbeutung, hin zu gerechter Teilhabe an den Reichtümern dieser Welt; weg von Erpressung und Diebstahl, hin zu fairem Handel können die Flüchtlingswelle und den blindwütigen Terrorismus stoppen und den Untergang des Westens, wie er bisher existierte, mit all seinen Werten und Traditionen, aufhalten. Darin liegt die immense Bedeutung des Buches von Lüders begründet! Wir würden es zur Pflichtlektüre erheben!

Michael Lüders
Wer den Wind sät - Was westliche Politik im Orient anrichtet
C. H. Beck München 2015
14. Auflage 2015
175 Seiten
€ 14,95
ISBN 978-3-406-67749-6

 
B
12. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

22.12.2015