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First Ship Home Michael L. Hübner
Die einzigen, die von der Flaute nicht begeistert gewesen sein mochten, waren die Segler, die sich im Umfeld der Aalbude in der Nähe von Verchen trafen, um ihre Pfingstregatta auf dem See zu fahren. Flaute – das ist des Seemanns Horror, der ihm den Schweiß auf die Stirne treibt, weitaus schlimmer als der Blanke Hans oder ein Skipper, der seinen Kahn schon besoffen aufentert und dann, back home, Seemannsgarn spinnt, dass das Kielschwein quietscht. Flaute ... das heißt Windstille ... das heißt, Hoffnung auf eine kleine Brise, Ausspähen nach einer Windfahne, einem Windfähnchen, ein paar gekräuselten Wellchen nur! Das bedeutet Jubel, sobald sich eine auch nur winzige Bugwelle bildet, die sich mit leichten Strudeln am Schiffskörper entlangzieht. Das bedeutet, den Baum hart anzurucken, damit das Großsegel etwas bauchig wird. Das bedeutet Fluchen, wenn der Nachbar einen Windhauch erwischt hat.
Und just mit dieser Flaute in den Segeln starteten über ein Dutzend Segler an jenem Pfingstsonntag zu ihrer jährlichen Pfingstregatta von der Aalbude am Nordende des Kummerower Sees aus, dort, wo die Peene, die das Gewässer durchströmt, den eiszeitlichen See verlässt. Der Preußische Landbote, vertreten durch seinen Mecklenburg-und Skandinavien-Korrespondenten, Chefredakteur B. St. Fjøllfross, bekam die unverdiente Ehre zugesprochen, als Vorschiffsmann auf einer der schönsten Yachten anheuern zu dürfen, deren Kiel je die Wasser dieses Sees durchpflügt haben. Es handelte sich um den hochseetüchtigen 33-Fuß-Segler "Hanning II" von Skipper Dr. Dirk Steinbrink aus Malchin. Die Fock wurde auf Backbord gesetzt, wie sich das gehört. Das Signalhorn ertönte. Die Segelmanöver begannen. Die Qualität der 90.000-Dollar-Yacht zeigte sich vom ersten Moment an. Wenn sich auch nur ein Lüftchen regte, schlugen sowohl das Großsegel als auch die Fock an. Eine geschickte Steuerung von der Brücke auf dem Achterdeck, eine eingespielte Bedienung der Fall- und Schotleinen und eine routinierte Trimmung auf dem Vorschiff brachten die Hanning II nie in Gefahr, den Anschluss an das Führungsfeld zu verlieren. Die zu den Favoriten gezählte "Red Devil", brachte sich, nach Skipperwechsel vor zwei Jahren, mit einigen unglücklichen Manövern an der Wende-Boje um jegliche Chance auf einen der vorderen Plätze. Auf der "Bounty" mochte, dem Namen zur Ehre gereichend, wieder eine Meuterei inszeniert worden sein. Denn von dem seemännischen Geschick Käpp`n Blighs war nicht gar so viel zu sehen. Die später auf Eins bei den Kielbooten gesetzte "Lille Ø" konnte im Pulk der Armada kaum ausgemacht werden. Nach drückend warmen zwei Stunden und fünf Minuten begrüßte das Finish-Signal am Ziel-Zweimaster die "Hanning II" als First Ship Home. Danach kam eine gefühlte Ewigkeit nichts. Dass die siegreiche "Hanning II" bei der anschließenden Siegerehrung schmählich um ihren wohlverdienten Sieg geprellt und auf Platz Sieben gesetzt wurde, ist der Yardstick-Regel geschuldet, die bei der Pfingstregatta auf dem Kummerower See nie vollumfänglich hätte zur Anwendung kommen dürfen. An und für sich ist die von dem Engländer Zillwood Milledge erfundene Regel sinnvoll, um eine gewisse Chancengleichheit bei Booten unterschiedlicher Bauart zu gewährleisten. Natürlich sollte man auch einem Floß die Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf gestatten, an dessen Mast sich Großmutters Bettlaken im Winde bläht. Da dieses Vehikel jedoch kaum einen Knoten Geschwindigkeit schaffen wird, sollte man ihm in einer Fairplay-Regelung einen Bonus zugestehen. Die in einem hohen Maß empirisch ermittelte und subjektive Yardstickzahl (YSZ) kennzeichnet die Leistungsfähigkeit des Bootes und berechnet sich nach der Formel: t (sec) x 100 / YSZ. Je höher also die dem Boot zugewiesene YSZ, desto schneller muss es den Kurs absolvieren, um sich sein Anrecht auf einen vorderen Platz zu bewahren.
Sinnfälligerweise aber wurden die YSZ einst für Kurse von 45 Seemeilen ausgelegt. Wenn sich jedoch ein Kurs aus meteorologischen und zeitlichen Gründen nur über knapp sieben Seemeilen erstreckt, ist es unsinnig die YSZ in voller Höhe anzusetzen. Der Zeitbonus müsste also im Verhältnis zum zurückgelegten Kurs ebenfalls mindestens gesechstelt werden. Dafür aber sind drei Grundvoraussetzungen nötig: Erstens – ein Seemann in der Jury, der im Fache Mathematik besser abgeschlossen hat als in Religion, die Verfügbarkeit eines Rechenschiebers oder eines Abakus und dann noch eines Nautikers, der nicht nur den Sextanten, den Kreiselkompass und das Lot beherrscht, sondern auch ebenjene Rechenhilfen. Leider war am südlichen Ufer der Peene am Pfingstsonntag 2015 keine einzige dieser conditiones sine qua non zu Diensten, weswegen die stolze „Hanning II“ auf Platz Sieben verbannt wurde. Denn sie hätte auf einem Kurs von nicht mal sieben Seemeilen über zwanzig Minuten herausfahren müssen. Verflucht noch mal, wie sind die "Hanning II", nicht "De weete Svaan van Swaartevaal" des Käpp'n Barend Fokke, den man später den Fliegenden Holländer nannte. Wie sollen wir bei Flaute zwanzig Minuten auf einem verkürzten Kurs herausholen? Ach, hol' euch doch der Teufel! Wir waren, sind und bleiben FIRST SHIP HOME 2015! Und wenn ihr Gift und Galle spuckt! Und – Jürgen – die „Hanning II“ ist über Backbordbug gestartet, das ist mal so sicher wie das Amen in der Kirche. Und wenn eine blonde Sirene eines roten Teufels in dein Horn tutet, dann beweist das lediglich, dass die blonde Mähne eines auch noch so herrlichen Weibes und eine Buddel Rum mitunter denselben Effekt zeitigen – nämlich eine völlige Verwirrung! Der Preußische Landbote dankt seinen Schiffskameraden Dr. med. Dirk Steinbrink als Skipper, OA Dr. med. Ronald Foest als Eins-WO, Maik als Maat und Kathy als Vollmatrosin für einen herrlichen Turn, einen Wahnsinns-Sonnenbrand, eine halbe Maß Ducksteiner und wünscht der „Hanning II“ immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel! |
Sport 1. Volumen |
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009 27.05.2015 |