Sauerer
Wein und Ackerbau
Vortrag des Arbeitskreises Stadtgeschichte zu
alten Brandenburger Familien

Michael L. Hübner
Auch märkische Städte
haben ihre Geschlechter. Keine Grafen oder Barone zwar, selten Patrizier,
mehrheitlich aber bodenständige Handwerker und Ackerbürger.
Die Familie Baeß aus der Brandenburger Altstadt zählt zu diesen
Alteingesessenen. Ein Vertreter dieser Sippe, Pfarrer Peter Baeß
aus Berlin, referierte am Mittwochabend im Fontaneklub anlässlich
der letzten diesjährigen Vortragsveranstaltung des Arbeitskreises
Stadtgeschichte vor 30 Zuhörern zum Thema „Zur Familiengeschichte
Brandenburger Ackerbürger in der Altstadt“.
Die große
Resonanz – dieser Vortrag zählte zu den Bestbesuchtesten des
Arbeitskreises seit langem – zeigt, wie stark das Interesse an der
Genealogie der Altstadt Brandenburg ist. Dabei müssen es nicht immer
unbedingt die großen Namen wie die der Karpzows, Storbecks oder
Trebaus, sein, die zum Gegenstand der Betrachtung erhoben werden. Alleine
der Umstand, dass solche Familien wie die Bäß’, Briests,
Grasows, Siebachs, Senß’, Wachows, Heizmanns, Siedows, Laus,
Michaelis’, und andere seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten
mit dem exklusiven Bürgerrecht versehen, in der Stadt lebten und
ihren Werdegang mit prägten, verleiht ihnen schon eine gewisse Sonderstellung.
In seinem Vortrag
führte Pfarrer Baeß aus, dass es nach seinen Erhebungen unzulässig
wäre, die Altstadt als Ackerbürgerstadt zu bezeichnen, wie sie
im Unterschied zur merkantil geprägten Neustadt oft dargestellt wurde.
Kremmen oder Wilsnack seien typische Ackerbürgerstädte gewesen.
Die Fraktion der hauptberuflich in der Agrikultur tätigen Bürger
rangierte jedoch 1801 mit 73 Vertretern erst an 4. Stelle nach den Spinnern
(1564!), den Branntwein-Erzeugern (93) und den Leinewebern (84). Allerdings
lagen die Ackerbürger noch vor den 62 Weinmeistern.
Ja – in Brandenburg
an der Havel wurde seit dem hohen Mittelalter auf dem Harlunger- oder
Marienberge Wein angebaut. Erst kelterten die Prämonstratenser Chorherren
rund um die viertürmige Marienkirche, dann einzelne Weinbauern. Zwischenzeitlich,
während der europäischen Kälteperioden, erfroren immer
mal wieder die Reben. Bis 1820 aber wurde immer der Weinanbau betrieben.
Wenngleich böse Zungen behaupteten, der Marienberger Wein würde
das Stopfgarn für die löchrigen Socken überflüssig
machen und wäre im Allgemeinen nur als Essig zu gebrauchen.
Noch heute erinnert
der 1910 so benannte Weinmeisterweg am Nordhang des Marienberges an die
uralte Tradition des Weinbaus. Zwei Weinstöcke sollen sogar noch
auf dem Anwesen des Dachdeckers Wolter überlebt haben. Erst mit der
beginnenden Industrialisierung wurde das Ackerbürger- und Weinmeistertum
sukzessive zurückgedrängt. |