Frauen nach vorn!
          Podiumsdiskussion im Paulikloster
        
        Michael L. Hübner
           Wahrscheinlich lassen sich die 
          Genossen von der Brandenburger SPD von der Eroberung von Schloss Plaue 
          inspirieren. Vor sechshundert Jahren schoss ein Nürnberger Hohenzoller 
          die drei Meter dicken Mauern der Havelburg mit dem vom Deutschen Orden 
          gemieteten Supergeschütz „Faule Grete“ sturmreif. Auch das Rathaus der 
          traditionellen Arbeiterstadt Brandenburg an der Havel ist seit 10 Jahren 
          in der Hand einer Oberbürgermeisterin, die sich mit ihrer engagierten 
          und erfolgreichen Politik den Brandenburgern auch bei der letzten Wahl 
          zur Stadtregierung überzeugend empfehlen konnte. Das wiegt beinahe genauso 
          schwer wie drei Meter dicke Mauern. Ganz bis nach Ordenspreußen müssen 
          die Genossen allerdings nicht reisen, um sich von Zeit zu Zeit ihr „schweres 
          Geschütz“ auszuborgen: Den „Emsigen Frank-Walter“ nämlich findet man 
          schon im Reichstag zu Berlin – die Chur-und Hauptstadt ist sein Wahlkreis. 
          Was also liegt näher, als dieses Pfund nach Kräften auszuspielen, um 
          die Brandenburger Sozialdemokratie wieder vermehrt in den Fokus der 
          positiven Wahrnehmung zu rücken.
          So begrüßten denn auch 50 Hörer den Alt-Vizekanzler und Außenminister 
          a. D. Frank Walter Steinmeier im Vortragssaal des Pauliklosters zu einer 
          Podiumsdiskussion innerhalb der Reihe „Projekt Zukunft – wie wir leben 
          wollen“. Kernthema dieser Veranstaltung war die Neustrukturierung der 
          Gesellschaft hinsichtlich der geforderten stärkeren Beteiligung von 
          Frauen an Bildung, Beruf und Aufstieg. Innerhalb der traditionellen 
          Rollenverteilung fällt es den Frauen schwer, Bildungs- und Berufsteilhabe 
          mit den Erfordernissen des häuslichen Managements in Einklang zu bringen. 
          Prof. Jutta Allmendinger Ph.D., Präsidentin des Wissenschaftszentrums 
          Berlin für Sozialforschung (WZB), Dr. Jacob Hein von der Charité, Ulrike 
          Häfner und die letzte Präsidentin der Berliner Stadtverordnetenversammlung 
          und Bundesministerin a. D. für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 
          Christine Bergmann diskutierten gemeinsam mit dem gastgebenden Frank-Walter 
          Steinmeier. Auf der Agenda standen die Fragen, woher das überkommene 
          Modell der geschlechterspezifischen Zuweisung gesellschaftlicher Aufgabenbewältigung 
          stammt und wie es im Alltag einer modernen Hochleistungswirtschaft zu 
          überwinden sei. Dass sich der Druck eines globalisierten Wettbewerbs, 
          dem die in der Bundesrepublik beheimatete Großunternehmen und Mittelständler 
          standzuhalten haben, bis in die familiären Situationen ihrer Arbeitnehmer 
          durchträgt, führt zu massiven Verwerfungen im Sozialgefüge einer überalternden 
          Gesellschaft. Zunehmende soziale Kälte, Entsolidarisierung und ein ausufernder 
          Merkantilismus mit dem entsprechenden Bedarfsdenken verorten unter anderem 
          den für die Gesellschaft so überlebenswichtigen Nachwuchs in die Ecke 
          der prioritär nachgeordneten Luxus-Konsumgüter. Langsam beginnt es jedoch 
          im Volke zu dämmern, dass es sich möglicherweise damit das eigene Lebenswasser 
          abgräbt. Noch aber ist nicht klar, mit welcher Programmatik dieser unseligen 
          Entwicklung gegenzusteuern wäre. Sich diesem heißen Thema aktiv zu nähern 
          und so ganz nebenbei mit solch zugkräftigen Veranstaltungen dem Rathaus 
          gegenüber das Panier der SPD wieder ein bisschen höher aufzuziehen, 
          war Anliegen dieser auf hohem Niveau gehaltenen Diskussionsrunde. Immerhin 
          steht in wenigen Monaten der Bundeswahlkampf ins Haus – und da werden 
          schon mal vorbereitend die Pulversäcke getrocknet, die wuchtigen Kugeln 
          parat gelegt und die Kanonen in Stellung gebracht. Unüberwindbar präsentierten 
          sich einst die Mauern von Schloss Plaue. Insofern kann man wohl ein 
          verstecktes Kompliment der kommunalen Sozialdemokratie an die derzeitige 
          Stadtregierung hineininterpretieren, wenn die Genossen so durchschlagende 
          Geschütze wie den „Emsigen Frank-Walter“ auffahren.