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Antimaterie zur Krebsbekämpfung
Zu einem P.M.- Artikel aus dem Mai- Heft 1995 von Herrn Scheppach

B. St. Fjøllfross
Lieber Herr Scheppach!
Als ich Ihren Artikel zur Antimaterie- Problematik überlas, glaubte ich hinsichtlich der von Ihnen vorgestellten Nutzanwendung in der onkologischen Medizin zunächst an einen verspäteten Aprilscherz. Außerdem bereute ich es lebhaft, gestern Abend meiner Whiskyflasche den Garaus gemacht zu haben – hielt ich doch das Gelesene für eine alkoholbedingte Täuschung meiner entkräfteten Sinne.
Doch dann wurde ich stutzig. Wer in der P.M. publiziert, zählt unbedingt zum Kreise seriöser Journalisten, die sich ihrer Verantwortung dem Leser gegenüber durchaus bewußt sind. Es ist also davon auszugehen, daß man weiß, wieviele Krebskranke sich an jeden Faden klammern, der ihnen Rettung verhieße und wie unethisch es daher wäre, diesen Menschen mit solch gequirltem Bockmist unbegründete Hoffnungen zu erwecken.
Zumal die ganze Geschichte nach Ihren eigenen Ausführungen jeder Logik entbehrt.
Wir nehmen also als gesichert an, daß sich Materie und Antimaterie sofort nach Kontakt in einem Gamma-Blitz gegenseitig auflösen.
Nun erzählen Sie mir mal, wie Sie das Antimaterie-Teilchen durch – atomar/ molekular gesehen – gigantische Schichten von Materie schleusen wollen, bis hin zu der bösen Krebszelle, ohne das die Aberbilliarden Materieteilchen zwischen ihr und dem Emmitor auch nur das Geringste von seiner Existenz bemerken. Denn das „Geringste“, der erste Kontakt würde zur besagten Zerstrahlung Ihres Geschoßes führen.
Oder wollen Sie die entartete Zelle, das Malignom selbst, zu einem sich vernichtenden Antimaterie-Generierungslabor umbauen?
Viel mehr Möglichkeiten böten sich wohl nicht.
Aber selbst wenn das alles hinginge. Sie erwähnten ganz richtig die resultierenden Gamma-Strahlen. Bösartige Neoplasien mögen einiges abkönnen. Manche tricksen die körpereigene Abwehr aus. Andere ignorieren erfolgreich den Apoptose- Befehl, sozusagen die Seidene Schnur, wieder andere scheißen auf die obligatorische Telomer- Verkürzung während der Zellteilung. Trickreich sind sie alle. Aber noch keine lebende Zelle hat meines Wissens das Geheimnis entdeckt, wie sie der im wahrsten Sinne des Wortes sterilisierenden Wirkung der Gamma-Strahlung trotzt, die wir zur härtesten uns bekannten Strahlung überhaupt zählen.
Das mag ja für unsere onkologischen Betrachtungen ganz gut sein.
Doch unglücklicherweise erweist sich unsere Killerstrahlung als unbeschulbar und völlig belehrungsresistent. Das heißt, sie wird jede lebende Zelle auslöschen, die ihr vor die Flinte kommt. Sie hat nun mal nicht den Apfel vom Baum der Erkenntnis gefressen und weiß daher nicht, was wir als gut oder böse definieren.
Das ist im Übrigen das uralte Dilemma jeder Bestrahlung und jeder Chemotherapie, die nichts anderes als ganz gewöhnliche, allerdings etwas gezieltere Verbrennungen und Vergiftungen sind.
Wenn Sie Krebspatienten Mut machen wollen, dann stellen sie doch Therapieansätze vor, die sowohl den Diagnostiker als auch den Therapeuten als auch das körpereigene Immun- und Abwehsystem für Spezifika entarteter Zellen sensibilisieren und diese sowie deren Successoren abgegrenzt eliminieren.
Ich habe mich mit Tumormarkern befaßt und ich sage ihnen, die Suche nach suffizient arbeitenden Indikatoren ähnelt beinahe in ihrer Aussichtslosigkeit der Suche nach dem Gral oder dem Stein der Weisen. Dennoch, diesem Mythos ernsthaft hinterherzurennen, halte ich für sinnvoller und ehrenhafter, als den von Todesangst gepeinigten und ausgezehrten Opfern der malignen Neoplasien zu erzählen, daß im Himmel Jahrmarkt sei, auf dem Antimateriezauber offerieret werde. Die schauen dann, wo die Buden stehen und keifen ihre behandelnden Ärzte an, warum ausgerechnet sie der Segnungen dieser Wunderwaffe nicht teilhaftig werden.
Zu Herrn Sprados Einleitung, das Nibelungenlied betreffend: Es ist schön, daß Herr Sprado die cineastischen Verarbeitungen des deutschen Nationalepos als das bezeichnet, was sie in Wirklichkeit mehrheitlich sind – als Schwachsinn. Aber was glauben Sie, verehrter Herr Chefredakteur, warum noch niemand auf den Trichter gekommen ist, das gewaltigste und vielschichtigste Epos des Abendlandes – den „Parzival“ des Herrn Wolfram von Eschenbach – zu verfilmen? (Den Wagner-Quatsch wollen wir mal außen vor lassen...) Das Volk will durch ein Schlüsselloch schauen und den Nächsten beim Verrichten seiner intimsten Verrichtungen bespannen. Er will den Nachbarn streiten und kopulieren sehen – das interessiert! Das bloße Glotzen, verstehen Sie? Das breite Volk schert sich einen feuchten Kehricht für den psychologisch-soziologischen Untergrund, der die Konflikte seit der Entstehung gruppenbildender Primaten antreibt. Deshalb zeigen die Cineasten genau das, womit sie dem Glotzer die Mark aus dem Jackett locken. Der Rest muß zwangsweise wegbleiben. Ihr Ansatz, das Lied vorzustellen, ist aller Ehren wert, zumal dieses Kulturgut in unserer Ära der grassierenden Verblödung dem Gedächtnis und dem Herzen des Volkes expotentiell zu entschwinden scheint. Ich fürchte nur, sie werden sich gegen Conan, den Barbaren (Kino- und Playsi-Version) kaum werden behaupten können.
Trotzalledem – kämpfen Sie weiter an der Front der Aufklärung - aber eben auch – indem Sie etwas gewagteren Phantasien, wenn sie denn mehr verunsichern als helfen, nicht zuviel Leine lassen.

Mit freundlichem Gruße nach München

Ihr Fjøllfross

5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005