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Georg Christoph Lichtenberg
vielseitig Gelehrter, Genie der deutschen Sprache, Gigant des witzigen Geistes
1742-1799

 


Professor Lichtenberg
Georg Christoph Lichtenberg

vgl.: Dr. Kurt Tucholsky (Peter Panter), Artikel: Schrei nach Lichtenberg , Vossische Zeitung
vom 15.Januar 1928

B. St. Fjøllfross
Gefragt, wen wir für das Fundament der deutschen Sprache erachteten, so würden wir ohne zu zögern auf die Riesen des Wortes verweisen, wie sie uns in Dr.Tucholsky, Heinrich Heine, Goethe, Schiller und Morgenstern, M.Claudius, Hêrn Wolfram von Eschenbach und Herrn Oswalt von Wolkenstein, Martin Luther und Dr.Müntzer, Dr.Panizza und vielen anderen mehr begegnen. Diese alle waren Meister der gesprochenen und geschriebenen Zunge, zündende Transmissionsriemen kluger und klügster Gedanken. Einem jeden von ihnen gebührt uneingeschränkte Hochachtung.
Aber wenn einer kommt und fragt: Ja, wer aber bildet den Grundstein dieses lebendigen Wesens Deutsche Sprache? Wer mag als Zentralgestirn gelten? So antworten wir:

Georg Christoph Lichtenberg!


Diesen hat Gott über die Sprache der Deutschen gesetzt, weil in jedem seiner Worte der Geist mitschwingt, der einem Menschen teutscher Nation heiligstes Ziel sein sollte.
Ihn gebührend zu ehren, fällt uns nicht leicht. Denn unsere Armseligkeit wird nirgends so deutlich, wie in dem Schatten dieses Mannes. Und wie in der Zeile unter dem Portrait verwiesen, welches unserem Beitrage präsidiert, hat unser Schutzpatron, der Heilige Kurt, ein solches Unterfangen schon ins Werk gesetzt – unerreichbar und grandios.
Doch das Jahr 1928 ist schon lange her. Wir fürchten, der Artikel, der zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen gehören müßte, und auf den wir aus rechtlichen Zwängen hierorts nur hinweisen dürfen, ist bis auf wenige Ausnahmen der Vergessenheit anheimgefallen.
Das Meer der Dummheit und der Ignoranz, gegen das Herr Lichtenberg seinerzeit einen properen Deichgrafen abgab, nutzte erbarmungslos die Vernachlässigung der Dämme und brach hinein, tief hinein in das Land der Deutschen. Kein Blanker Hans richtete je solche Verwüstung an. Und so sehen wir unsere Aufgabe, selbst mit schwächsten Mitteln das Werk dieser großen Geister weiterzuführen, die Erinnerung an sie lebendig zu halten oder neu zu erwecken.
Wir haben weiter oben nicht umsonst die Metapher des Zentralgestirnes bemüht: Denn so, wie wir unseren „Landboten“ nach dem Dr.Tucholsky „einnorden“, so segeln wir unter dem warmen Lichte, das uns die Sonne, das sprühende Feuer des Lichtenberg’schen Esprits spendet.
Am 01.Julei 1742 geht dieser Helios über dem hessischen Städtchen Oberramstadt auf, wird hineingeboren in die Familie eines außerordentlich klugen Pfarrers und einer Pastorentochter – beide liberale Leute, Bildungsbürgertum, aufgeschlossen, tolerant. Zum Ende seines Lebens ist der Vater gar Superintendent der Kirche seines Landesherrn. Das ist eine Position, die den Namen Lichtenberg am Hofe des Regenten mit einem Wohlklang versieht. Der mit neun Jahren vaterlos gewordene Georg Christoph wird davon noch profitieren dürfen und müssen, als nämlich die nicht eben bemittelte Mutter beim Landesherren um ein Stipendium für den blitzgescheiten Sohn ersucht. Es wird gewährt. Vierundzwanzig Monate lang darf sich Georg Christoph an der Universität Göttingen umtun und Wissen erwerben, danach wird es etwas enger mit der herrschaftlichen Unterstützung. Doch der junge Lichtenberg weiß die Zeit vorteilhaft zu nutzen: nach Beendigung der Studienzeit verpflichtet ihn seine Alma Mater als Hochschullehrer. Mit jungen Jahren Professor – dahinter steckt zweifelsohne ein über die Maßen hervorragender Kopf!
Diesen Kopf möchte man den leuchtendsten Fackeln der Aufklärung zurechnen. Alles, was an der Religion seiner Zeit mystisch, wabernd und auf Dogmen gegründet einherkommt, prallt beizeiten an ihm ab. Alleine die Gegenwart dieses kristallklaren Verstandes scheint die opiumschweren Nebel und Vorhänge der Religion zu zerreißen. Er ist kein beißender Spötter. Eher ein feinsinniger; einer mit so einem kleinen, oft fast unmerklichen Schuß Ironie im Unterton und ein jedes Wort trifft ins Schwarze! Ein Wildschütz der Sprache: Wen Lichtenbergs gefürchtete Aphorismen und Spötteleien zum Ziel erkoren haben, den kann nichts mehr retten! Die Gefrorenen des 17. Jahrhunderts, die in der Kunst bewandert waren, sich fest zu machen, die selbst den Silberkugeln trotzten – hier war ihre Kunst am Ende, denn die Magie dieses nicht eben wohlgestalten Mannes bestand in einem alles durchdringenden Verstand, der keinen Hokuspokus gelten ließ.
Nun ist Verstand besitzen die eine Gabe. Wesentlicher für die Mitmenschen aber ist die Kunst, die gewonnene Erkenntnis in Worte zu kleiden, die auch verstanden werden.
Erinnern wir uns des großen Philosophen aus Königsberg, den Immanuel Kant: In aller Munde ist er. Aber wer von denen, die ihn so gern und häufig zitieren, hat ihn den jemals wirklich gelesen? Den Kantschen Imperativ nachbeten – das kann jeder. Die „Kritik der reinen Vernunft“ aber ins Verständliche übersetzen, ohne daß sie das Geringste verliert, das wäre eine Meisterleistung!
Ähnlich geht es mit unserem philosophischen Vater, dem Baruch Spinoza. Seine "Ethik" ist von mathematischer Klarheit. Nichtsdestotrotz bleibt sie der Masse ein Buch mit sieben Siegeln. Selbst denen Gespenstern, die Spinoza mit seinem „quod erat demonstrandum“ einfach hinwegbewiesen hat. Da es auch den Bewohnern der metaphysischen Dimension kein Leichtes gewesen sein dürfte, die Argumentation wider sie so schlüssig zu erfassen, daß ihnen das Konstrukt eines sinnvollen Widerspruchs an die Hand gegeben worden wäre, so werden sie daraus die unvermeidliche Konsequenz gezogen haben: Sie lösten sich einfach auf.
Herr Lichtenberg ging da sublimer und doch brutaler zu Werke: Wo der Mensch lacht, hat das Böse seine Macht verloren, lehrt uns James Krüss. Und so waren beispielsweise seine berühmten Aphorismen vergleichbar mit Armbrustbolzen: alles auf ihrem Wege durchschlagend, jeder Panzerung höhnend, jedes Gespinst von Tollheiten zerreißend. Mehr als hundert Jahre vor der Erfindung des Wilhelm Konrad Röntgen standen dessen Strahlen wohl schon Herrn Lichtenbergs Augen, ganz sicher aber dessen phänomenalem Geiste zu Diensten.
Und auch wir „Landboten“ kommen nicht ungeschoren davon. Sie lachen? Der zweihundertundfünf Jahre wegen, die uns vom Professor Lichtenberg trennen? Glauben Sie mir: diese Zeitspanne nimmt dem unsterblichen Genius nicht das Mindeste. Die Typen, die wir verkörpern, machten schon zu seinen Tagen das Erdenrund unsicher. So einzig sind wir denn doch nicht. Also hat er auch uns gezeichnet. Und das sicher nicht zu unserem Vorteil. Oder gar am Ende doch?
Wenn man mannhaft den Mut aufbringt, eines ernsten und eines lachenden Auges in den Lichtenbergschen Spiegel zu schauen und sich diesem Bilde stellt, dann hat man einen weisen, einen gütigen und einen deutlich mahnenden Pädagogen gewonnen, nach dessen Erkenntnissen man sich sehr zum eigenen Nutzen richten kann.
Wir werden Ihnen nicht verraten, wo Herr Lichtenberg unsere Achillesferse ausgemacht, an welcher Stelle er unseren Pferdefuß mit kurzem, präzisem Wurf in den märkischen Sand genagelt hat. So viel Courage bringen wir denn doch nicht auf. In einer Welt voller Häme wäre das auch nicht klug gehandelt. Aber wenn es uns gelingt, Schritt um Schritt den nie von Bösartigkeit getragenen Sentenzen zu folgen, dann soll es auch Ihr, unseres Lesers, Schade nicht sein.
An dieser Stelle würde mein verehrter Herr Kollege Bajun eine Literaturempfehlung aussprechen, wie das bei seinen Rezensionen so üblich ist. Und so sage ich Ihnen denn: Lesen sie Lichtenberg! Lesen Sie, was Ihnen von diesem Manne in die Finger kommt! Dann bekommt Ihre Seele eine gesunde Hautfarbe, Ihr Verstand eine Ganzkörpermassage, Ihre Lebensfreude die blühende Kraft eines Gartens unter der Frühlingssonne.

P 1. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004