Baaks

zurück zum Landboten

 

zurück zur Stammseite "Sport"

 

„Hakkeyoi!“ im Kaukasus
Sumo-Europameisterschaft in Tiflis

秋野川道
Tiflis. Die letzte Aprilwoche führte die Sumotori der deutschen Nationalmannschaft unter Leitung von Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt in den Großen Kaukasus. Die georgische Hauptstadt Tiflis war Gastgeber der Europameisterschaft 2017 in der japanischen Nationalsportart.

Der Organisator und Präsident der georgischen Sumo-Föderation, Tengiz Rhokadze, lud die Athleten, Kampfrichter und Offiziellen zur Austragung der Kämpfe in den Komplex der Judo-Akademie Tiflis in der Akaki-Beliaschwili-Straße. Im Dohyo der großen Judohalle wurden bei Männern und Frauen die Kategorien U21 und U23 in verschiedenen Gewichtsklassen, Open und Mannschaften ausgekämpft.

Angereist waren neben den Deutschen die Mannschaften aus Finnland, Norwegen, Estland, Litauen, Russland, Polen, Bulgarien, Aserbaidschan, der Ukraine, Israel, Ungarn und natürlich die Georgier selbst.

Das Umfeld und die Qualität der Meisterschaftsausrichtung allerdings verlangte selbst hartgesottenen Sportlern einiges ab. Am Rande des Dohyo (Kampfboden) vernahm man Stimmen, die dem Ereignis den Charakter einer Europameisterschaft rundheraus absprachen. Die Kritikpunkte erstreckten sich auf viele essentielle Punkte, angefangen bei einem unzureichenden Shuttleservice zwischen den Unterbringungsorten der Rikishi (Kämpfer) und dem Dohyo, einem äußerst ungenügenden Versorgungsangebot, einer übergroßen Toleranz gegen mangelhafte Schiedsrichterleistungen, einer chaotischen und intransparenten Umsetzung der Kampfverlosungen, einer ungenügenden medizinischen Absicherung, die dann auch folgerichtig im eingetretenen Ernstfall versagte und weiteren Kalamitäten. So erhöhte der scharfkantige, steile und ungepolsterte Dohyo-Rand die Verletzungsgefahr erheblich, wie einige Kämpfer schmerzhaft am eigenen Leibe erfuhren.

Die deutsche Equipe biss die Zähne zusammen und tröstete sich mit dem Bewusstsein, den hohen Standard bestätigt zu finden, mit welchem die deutsche Sumo-Hauptstadt Brandenburg an der Havel im letzten Jahr reüssierte.

Fünf Damen und vier Herren kämpften tapfer gegen eine auf unbedingten Siegeswillen gedrillte, osteuropäische Übermacht. Doch sie kämpfte auch gegen das vom nicht existenten Organisationsbüro geschaffenen Chaos. So stand Stephanie Steinmetz urplötzlich einer völlig anderen Gegnerin gegenüber, als derjenigen, auf die sie von der Bundestrainerin nach der Liste vorbereitet worden war. Grund waren neu erstellte Listen mit völlig neuer Auslosung. Dafür fanden sich Rikishi auf der Liste, die überhaupt nicht anwesend waren.

Die deutsche Top-Kämpferin wurde durch diese überraschende, nur Sekunden vor dem Kampf initiierte Änderung buchstäblich aus der Bahn geworfen und um ihre Medaillenchance gebracht. Auch Kerstin Schmidtsdorf, die zu den langjährigen Favoritinnen des deutschen Teams zählt, wurde nach einer skandalösen Schiedsrichterfehlentscheidung um Bronze gebracht und musste sich mit einem fünften Platz begnügen. Johanna Schumann aus Tauber-Bischofsheim, die seit der Weltmeisterschaft 2016 in Ulan Bator kämpferisch sehr zugelegt hatte, fand sich plötzlich nicht mehr in der Mannschaftsaufstellung wieder, obgleich sie von der EFS offiziellen bestätigt worden war. Erst eine handschriftliche Eintragung des EFS-Generalsekretärs löste das Problem.

Weil sich die deutschen Offiziellen mit dieser Art der Ausrichtung einer Europameisterschaft nun so gar nicht arrangieren konnten und sich lautstark Gehör verschafften, konterte der polnische Chefkampfrichter mit dem versuchten Ausschluss der Cottbuser Weltkampfrichterin Elke Nowack. „Ganz oder gar nicht“, antworteten darauf die Deutschen und drohten damit, für diesen Fall auch ihre beiden ausgewiesenen und internationalen Kampfrichter Frank Knoch und Frank Kastan abzuziehen. Damit wären die Schiedsrichterstühle nicht zu besetzen gewesen, was allerdings bei einem während des Kampfes telefonierenden georgischen Außenrichter zumindest bei dieser EM nicht weiter aufgefallen wäre. Der Putsch von oben scheiterte kläglich und im Ansatz: Elke Nowack blieb in Amt und Würden!

Damit auch die Offiziellen nicht ungeschoren davon kommen, ließ der Gründungspräsident der EFS, der aufgrund seiner inkompetenten Verbandsführung suspendierte und offiziell zur persona non grata erklärte Sergeij Korobko aus Kiew, den angesetzten EFS-Kongress alleine durch seine hartnäckige Anwesenheit platzen. Er sorgte somit dafür, dass wichtige, auch von den Deutschen angeregte Verbesserungen der Statuten und Regelwerke weder zum Vortrag kommen konnten, noch zur Entscheidungsreife gelangten. Der Kongress wurde auf den Oktober verlegt. Dem Präsidenten Michael L. Hübner und seinem Vize, dem EFS-Direktoriumsmitglied Dr. Torsten Kastner blieben nur, in unzähligen Hintergrundgesprächen das Parkett für Warschau vorzubereiten und der deutschen Position Gewicht zu verleihen.

Auch diesen Widrigkeiten trotzte eine hervorragend aufgestellte und im Zusammenhalt vorbildliche schwarz-rot-goldene Mannschaft und brachte stolz die Silbermedaille im Mannschaftswettbewerb der Damen nach Hause. Auch wenn die Erwartungen der Bundestrainerin bezüglich des Medaillenspiegels höher gesteckt waren, gemessen an der Unterzahl der Deutschen und an den scheinbar unbegrenzten Mitteln der Osteuropäer verbuchten die DSB-Athleten einen absolut respektablen Achtungserfolg. Nicht hoch genug anzurechnen ist der gesamten Mannschaft der vorbildliche Sportsgeist, der sich auch darin ausdrückt, dass alle Athleten ihre Kosten ganz allein trugen. Aufgrund trotz Handlungsbedarf sträflich verzögerter Entscheidungen im deutschen administrativen und juristischen Bereich können die deutschen Sumotori noch immer nicht auf die so dringend benötigten staatlichen und olympischen Fördermittel zurückgreifen und geraten auch durch diese ärgerliche Situation auf internationaler Bühne unverschuldet ins Hintertreffen.

Der kleinen, vierköpfigen norwegischen Mannschaft sei attestiert, dass sie – obgleich völlig chancenlos, den Geist einer Europameisterschaft durch den ungetrübten Ausdruck der Freude an ihrem Sport sichtbar stärkten. Sie setzten einen Kontrapunkt zu manchen Teams, vorzüglich aus Osteuropa, deren Credo anscheinend lautet: 'Lasst uns die Kämpfe vorzugsweise mit Tsuparis (Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht) und Tritten führen, so dass man am Ende einen Sumo-Kampf kaum noch vom American Wrestling unterscheiden kann!' Dass aber ein sauberes und technisch versiertes Sumo auch solche Fehlentwicklungen stoppen kann, das bewiesen einige Rikishi, als sie beispielsweise den georgischen Superstar Lascha Meschwiaschwili zweimal hintereinander krachend und kompromisslos aus dem Ring schickten.

Alles in allem bestätigten die Russen und die Polen ihre Medaillenforderungen, was aber neben der unbestrittenen technischen Brillanz einiger ihrer Vertreter eben auch durchaus der schieren Masse ihrer Mannschaftsstärke zuzurechnen ist. Immerhin liefen beide Nationen mit jeweils 60 Sumotori auf.

Deutschland ging in jeder Hinsicht gestärkt aus der EM Tiflis hervor. Begeisterte Sumo-Tori, wie der Brandenburger Johannes Schalygin, der Berliner Thomas Walter, der Osnabrücker Philipp Brinkmann sowie der Babelsberger Jörg Frischmann mussten zwar noch einmal Lehrgeld bezahlen, gewannen im Gegenzug dafür jedoch einiges an wertvoller Erfahrung und Kampfstärke hinzu.

Die Deutschen errangen folgende Platzierungen:

Den 2. Platz erstritt das Damen-Team mit den Schwestern Daniela und Kerstin Schmidtsdorf, Johanna Schumann und Stephanie Steinmetz.

Fünfte Plätze belegten Daniela Schmidtsdorf in der Gewichtsklasse 73 kg, Kerstin Schmidtsdorf in der Klasse 80 kg, Johanna Schumann in der Kategorie Open und das Team der Männer mit Johannes Schalygin, Thomas Walter, Jörg Frischmann und Philipp Brinkmann.

Julia Dorny (65 kg), Johanna Schumann (80 kg) und Jörg Frischmann (100 kg) erkämpften sich jeweils siebte Plätze.

 

Personen: v.l.n.r. hintere Reihe: Internationaler Schiedsrichter Frank Knoch (Berlin), Rikishi Johannes Schalygin (Brandenburg), Internationaler Schiedsrichter Frank Kastan (Cottbus), Rikishi Thomas Walter (Berlin), Rikishi Philipp Brinkmann (Osnabrück), Rikishi Jörg Frischmann (Babelsberg),
zweite Reihe: Weltkampfrichterin Elke Nowack (Cottbus), Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt (Brandenburg), Rikishi Johanna Schumann (Tauber-Bischofsheim), Rikishi Kerstin Schmidtsdorf (Brandenburg), Rikishi Daniela Schmidtsdorf (Brandenburg), Rikishi Stephanie Steinmetz (Brandenburg), Rikishi Anika Schulze (Brandenburg),
sitzend: EFS-Medical-Director und DSB Vizepräsident Dr. Torsten Kastner, Präsident des DSB Michael L. Hübner, DSB-Geschäftsführer sensei Wolfgang Zuckschwerdt san,

Sport
1. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
02.05.2017