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        RingeDie Bücher* – der Film
 von Professor J. R. R. Tolkien,
 die Verfilmung von Herrn P. Jackson
 K. K. Bajun
 Auch wir waren skeptisch.
 Wieder eines dieser modernen Kunstmärchen, mit dem die ersten Jahre 
        des neuen Jahrtausends geradezu überschwemmt wurden. Harry Potter 
        ließ grüßen. Hatten die Leute nichts Besseres zu tun, 
        als wieder und wieder in Traumwelten zu versinken? Gab es keine reellen 
        Probleme?
 Wir, die wir dem meisten Schund, den uns die Television ins Haus bringt, 
        von Hause aus schon feindlich gesinnt sind – wir lehnten es ab, 
        uns mit dem Werke Herrn Tolkiens und dessen Verfilmung durch Herrn Jackson 
        überhaupt nur zu befassen. Ein Vorurteil, dieses wahre Kind der Dummheit, 
        hatte uns beim Kragen – wir gestehen es.
 Was uns dann im Jahre 2001 unserer Zeit bewog, doch noch in den Cinematographen 
        zu gehen, um uns für teures Geld den ersten Teil der Trilogie anzusehen? 
        Nun, irgendeiner unserer Gesprächspartner zeigte sich völlig 
        berauscht von den filmischen Effekten: „Müßt ihr gesehen 
        haben! Noch nie dagewesen! Übertrifft alles! Atemberaubend!“ 
        Nun, nun! Gemach! Sachte! Hatten wir nicht schon Roland Emmerichs „Unabhängigkeitstag“ 
        mit seinen riesigen Ufos? Hatten wir nicht „Deep Impact“ mit 
        der gigantischen Welle, dem Tsunami von fünf Kilometern Höhe? 
        Wie oft mußte die arme Titanic stilgerecht absaufen? Äh, bäh! 
        Was soll schon noch passieren?
 Doch es passierte.
 Wir wissen es noch ganz genau, wie uns der Atem stockte, als die Reise 
        der Gefährten durch Khazadum führte, durch das Zwergenreich 
        und die Höhlen von Moria. Landschaften taten sich vor unseren Augen 
        auf, die uns den Atem stocken ließen. Nein, so etwas hatten wir 
        noch nicht gesehen. Das war neu. Das war gigantisch.
 Und so ganz langsam begannen wir uns für das Geschehen hinter der 
        Handlung zu interessieren. Sicher, da gab es Elfen und Zauberer, Orks 
        und gespenstische Reiterkönige, aber da gab es auch Zwerge. Nein, 
        nicht die, die Schneewittchen bewachten. Sondern solche, die direkt der 
        nordischen Mythologie entstammten. Wir erinnern uns Laurins, Mimes und 
        der anderen begnadeten Schürfer und Schmiede des Alten Nordens. Die 
        genialen Schwertfeger, die unsterbliche Waffen und Kettenhemden schufen, 
        solche, die von Königen getragen wurden und eigene Namen hatten. 
        Wer hatte denn unserer nationalen Lichtgestalt Siegfried den Balmung geschmiedet? 
        Zwerge waren es. Solche wie Gimli Gloinssohn.
 Die anderen, die Menschen, der spätere König Aragorn und sein 
        Gefährte und Sohn des Truchseß’ von Gondor, Boromir, 
        – waren das nicht Krieger des alten Abendlandes? Vor unseren Augen 
        begann die Zeit des europäischen Mittelalters aufzuerstehen. Die 
        Kulisse war perfekt. Authentisch. Begeisternd!
 Der Schreiber dieser Bücher konnte kein Spinner gewesen sein. Das 
        war keiner, der die Probleme seiner Gegenwart in bizarre Kostüme 
        kleidete und das Ganze „Mittelalter“ nannte. Wir lasen die 
        Handschrift eines profunden Kenners der Materie. Herr Tolkien, ein Mann 
        mit dem wir uns nie zuvor befaßten, mußte ein ausgewiesener 
        Experte in Sachen alteuropäischer Mythen gewesen sein, ein Freund 
        alter Sprachen und Gebräuche obendrein.
 Dieser Umstand begann uns bald mehr gefangenzunehmen, ja zu fesseln und 
        zu begeistern – als selbst die großartigen und revolutionären 
        Filmeffekte der Gruppe um den Regisseur der Filme, Herrn Jackson.
 Zwanglos wurde über die Welt von Midgaard (Mittelerde) geplaudert 
        und der Regisseur lieferte eine Kulisse, eine Dekoration und Charaktere, 
        die ein für alle mal zu sagen scheinen: So sah das aus – und 
        nicht anders!
 Sicher, der Gegenstand der Saga ist der uralte Kampf um die Macht. Nichts 
        Neues also. Kristallklar wird differenziert zwischen den „Guten“ 
        und den „Bösen“. Die Guten sind schön und hell – 
        die bösen potthäßlich und dunkel. Und notorisch böse. 
        Grauzonen gibt es kaum. Die einzige Ambivalenz wird von der Kreatur „Gollum“ 
        zum Vortrag gebracht.
 Der Erzhalunke heißt bezeichnenderweise König „Sauron“. 
        Selbst diejenigen, die keine Kenntnisse der altgriechischen Sprache besitzen, 
        werden von dem Begriff der Dinosaurier wissen, daß damit „schreckliche 
        Echsen“ gemeint waren. Sauron trägt also einen „sprechenden 
        Namen“. Wie gut, daß Herr Tolkien nicht auf die Idee kam, 
        ihn Mr. Savage zu nennen.
 Wer aber daraus ableitet, Herr Tolkien hätte es sich mit Schwarz-Weiß-Malerei 
        allzu einfach gemacht und auf widersprüchliche – also dem menschlichen 
        Naturell entsprechende Charakterzeichnungen verzichtet – der irrt.
 Heute wissen wir, daß Herr Tolkien in schwerer Zeit (es war die 
        Ära der großen europäischen Auseinandersetzungen, in die 
        der Thron St.Georgs blutig verwickelt war) seinem Land ein Nationalepos 
        dichten wollte. Eines, das die Zeiten überdauert, wie das deutsche 
        Nibelungenlied und der nordische Beowulf; das französische Rolandslied 
        und die spanische Legende vom Cid. Eines, in dem die Nation sich wiederfindet, 
        hinter dem sie sich versammelt, mit dem sie sich identifiziert.
 Herr Tolkien komponierte nach bewährtem, man möchte sagen – 
        klassischem Muster: All diese europäischen Großsagen folgten 
        nun einmal diesem, nennen wir es übersichtlichen Strickmuster. Der 
        Handlungsablauf durfte nicht übermäßig kompliziert sein. 
        Denn die Grundvoraussetzung dafür, daß diese Geschichten lange 
        im Gedächtnis der Völker haften blieben, war ihre einfache Replizierbarkeit 
        in den Epochen, da die Kenntnis des geschriebenen Wortes keineswegs zum 
        Allgemeingut gehörte.
 Heute, da jedermann lesen und schreiben können sollte, und Geschichte 
        in gewaltigem Umfang schriftlich verfügbar ist, weiß um sie 
        kaum noch jemand. Warum? Weil nicht mehr erzählt wird – und 
        gelesen schon gleich gar nicht. Die ein Volk verbindende Kunst des „narrare“, 
        des Erzählens, ist verlorengegangen. Das ist das Problem.
 Herr Tolkien aber greift mit enormem Sachverstand diese alte Kunst der 
        Skalden wieder auf. Er erzählt.
 Es ist eine relativ simple Geschichte: Einst wurden einigen Ringe der 
        Macht geschmiedet, die zu verschiedenen Teilen unter die Herrscher der 
        Völker von Mittelerde – einem mythologischen Kontinent – 
        aufteilt wurden. Die Elfen wurden bedacht und die Zwerge und auch die 
        Menschen gingen nicht leer aus. Ein bösartiger und machtbesessener 
        Großkönig aber, besagter Sauron, schmiedet indeß heimlich 
        den Ring der Ringe, der ihm Universalgewalt verleihen soll. Dieser Eine 
        Ring ist der Clou. Sozusagen ein Meisterring, mit dessen Hilfe allen anderen 
        Ringträger peu a peu dem Willen des Einen gefügig gemacht werden 
        können. Mit Hilfe dieses Einen Ringes also plant König Sauron 
        zum Herrscher über ganz Mittelerde zu avancieren. In einer gewaltigen 
        Schlacht etwa dreitausend Jahre vor den Ereignissen der Trilogie gelingt 
        ihm dieser Plan beinahe. Unglücklicherweise aber büßt 
        er während des Schlachtgetümmels seinen Ring ein und blöderweise 
        hat er seinen persönlichen Lebensfaden so eng mit diesem Ring verwoben, 
        daß der Verlust der Preciose einem vorläufigen Aus für 
        die materielle Existenz Saurons gleichkommt. Nun, der Ring, der zu diesem 
        Zeitpunkt problemlos hätte vernichtetet werden können, bleibt 
        auf Grund der Korrumpierbarkeit eines sterblichen und schwachen Menschen 
        heil und unversehrt – das Böse bekommt eine zweite Chance.
 Zweieinhalb Jahrtausende später, nachdem er bei vielen Bewohnern 
        Mittelerdes schon längst in Vergessenheit geraten war, wird der Ring 
        gefunden. Sogleich beginnt er seine böse Saat auszubringen: Fünf 
        Minuten nach seinem Revival ist sein Finder und erster Träger bereits 
        tot. Alle, die ihn fürderhin in der Hand halten, werden nicht so 
        recht warm mit ihm. Er bringt ihnen nicht viel Gutes. Wer den Ring trägt, 
        dem wird er bald zur überschweren Last. Er verbiegt die Seele hin 
        zu Mißtrauen und Einsamkeit, zu Schmerz und Leid.
 Einigen Weisen bleibt dennoch nicht verborgen, daß der Eine Ring 
        wieder aufgetaucht ist und sich in Folge dessen das Grundböse um 
        Sauron wieder zu regen, ja, der Herrscher selbst zu reinkarnieren beginnt.
 Die Gefahr wächst täglich und so viel ist klar: Sollte der Dunkle 
        Herrscher wieder in den Besitz seines Schmuckstücks gelangen, so 
        haben die noch freien Völker Mittelerdes ganz, ganz schlechte Karten. 
        Also beschließt man, den Einen Ring zu zerstören. Das aber 
        ist leichter gesagt als getan. Denn der Eine Ring wurde in den Feuern 
        des Schicksalsberges, eines etwa anderthalb Kilometer hohen Vulkans, geschmiedet 
        und kann nur dort wieder vernichtet werden. Dieser feurige Hügel 
        liegt jedoch zu allem Unglück mitten im Herrschaftszentrum des Königs 
        Sauron, quasi neben dessen Hauptquartier.
 Die Aufgabe entspricht einem Himmelfahrtskommando mit äußerst 
        umstrittener Prognose. Jedem, der noch einen Funken Verstand hat, sträubt 
        sich das Nackenfell ob dieser Ehre. Zuteil wird sie einem Hobbit namens 
        Frodo Baggins aus dem Auenland. Was das nun wieder sei? Nun, unter Hobbits 
        verstand Herr Tolkien sogenannte Halblinge, einer den Menschen sehr ähnliche, 
        jedoch kleinwüchsige Population mit spitzeren Ohren und überdimensionalen, 
        befellten Füßen. Von Herzen gutmütig und fleißig, 
        von einem manchmal etwas lausbübischem Naturell, siedeln diese Hobbits 
        im Auenland, einem paradiesischen Landstrich im Westen Mittelerdes. Nota 
        bene im Westen! Denn was bei Herrn Tolkien aus dem Osten kam und aus dem 
        Süden – das war nicht nur suspekt, das waren potentielle Alliierte 
        des Bösen schlechthin. Die Fingerzeige auf die Hunnen und die späteren 
        „Huns“ (eine an den Begriff der Hunnen angelehnte verächtliche 
        Bezeichnung der Engländer für ihre deutschen Vettern), auf die 
        Araber, Neger und Karthager, die sowohl mit dem römischen als auch 
        mit dem britannischen Imperium ihre latenten Schwierigkeiten hatten, ist 
        unverkennbar. Und wer König Sauron zu Adolf Hitler in Beziehung setzt, 
        der verfolgt keinen allzu abwegigen Gedanken. Wir müssen aber gerechterweise 
        einfügen, daß der Autor zeitlebens beteuerte, daß er 
        keineswegs eine Analogie zu seiner Gegenwart im Sinne gehabt hätte.
 Frodo Baggins also meldet sich vor der Ratsversammlung der letzten freien 
        Völker zu dieser mörderischen Aufgabe, den Ring zu vernichten. 
        Beeindruckt von seiner großen Beherztheit finden sich noch einige 
        Gefährten verschiedenster Herkunft, um ihm bei dieser Reise zur Seite 
        zu stehen. Was dann folgt, ist die Beschreibung der haarsträubenden 
        Abenteuer, die diese Reisegesellschaft auf ihrem fast eintausend englische 
        Meilen langen Weg gemeinsam und getrennt zu bestehen haben.
 Diese sind nun wirklich brillant erzählt. Mit großem Geschick 
        leuchtet Herr Tolkien die psychologische Beschaffenheit seiner Figuren 
        aus, die Politik der abendländischen Reiche von der Zeit der Völkerwanderung 
        bis hin zum frühen Mittelalter findet gekonnt und nachvollziehbar 
        ihren Niederschlag. Allianzen werden geschmiedet und hohen Belastungen 
        ausgesetzt, Freundschaft, Treue und Verrat, Wollen und Versagen liegen 
        dicht beieinander. Hier haben wir es nicht mit einem simplen Märchen 
        zu tun. Hier tritt uns eine neugeborene Großsage kräftig und 
        lebendig und mitreißend entgegen. Selbst neue Sprachen erfand der 
        Altphilologe und Oxford-Professor Tolkien. Kein sinnentleertes Gebrabbel, 
        sondern Kunstsprachen mit eigener Semantik und Grammatik, wohltönend 
        und in sich schlüssig – die alten keltischen und germanischen 
        Sprachen, sowie das Altfinnische(!) standen Pate. Herr Tolkien hatte mit 
        dem letzten Worte seines Epos sein hochgestecktes Ziel wahrhaftig erreicht. 
        Wir aber kamen zu dem Schluß, daß eine solch komplexe Phantasie, 
        die so filigran, so sublim und so souverän mit der Geschichte und 
        vor allem – mit der von unseren Altvorderen erlebten und in mannigfaltiger 
        Form überlieferten Realität spielt, einer ehrenden Betrachtung 
        wert sei. Herrn Tolkiens Meisterwerk regt nicht so sehr zum Träumen 
        an, sondern doch mehr zur intellektuellen Auseinadersetzung. Und das ist 
        das Grandioseste an seinem Epos!
 
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