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Osama bin Laden ist tot
und die Narren sind los

Jubelfeiern in New York und Tänze auf dem Vulkan

Herrn Moritz T. Hübner (†) gewidmet

J.-F. S. Lemarcou

Die Cowboys können es nicht lassen. Kaum haben sie den verhassten Feind vor dem O. K. Corral niedergeballert, müssen sie sich in großtuerischer Pose den Rauch vom Lauf des Colts wegpusten und sich feiern lassen. Die Konzentration von Idioten scheint in keinem Lande höher zu sein, als in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Katastrophal aber mutet es an, wenn ein Vertreter der Liga der intelligenten Präsidenten dieser Idiotie huldigt und freudestrahlend verkündet, ein Kommando von Navy Seals hätte den Terrorfürsten Osama bin Laden zur Strecke gebracht. Na los doch New York - wo bleibt Deine legendäre Konfettiparade! Der alte, dialysepflichtige Zwölfender hat seinen Blattschuss kassiert!

Zum Ersten finden wir es abscheulich, den Tod eines Menschen zu feiern - er mag ein Höllenhund wie Osama, Hussein, Hitler oder Stalin gewesen sein. Wer das macht, begibt sich selbst seiner Menschlichkeit und reiht sich ein in die Rotten der Bestien.

Zum Zweiten kommt es einem bedenklich vor, dass Amerika tatsächlich elf Jahre gebraucht hat, um den Alten vom Berge zu töten. In Hollywood liest sich das jedesmal anders und ist regelmäßig in spätestens anderthalb Stunden abgehakt.

Der dritte Umstand aber, der uns stutzig werden lässt, löst pure Verzweiflung ob des kollektiven Irrsinns einer Nation aus. Die Amerikaner verstanden es, cineastischem Schund, wie "Krieg der Sterne" oder "Dune - der Wüstenplanet" zu Weltkultstatus zu verhelfen. In diesen Streifen erzählen sie die Sagas von den erfolgreichen Aufständen unterentwickelter und ausgebeuteter Völker gegen hochgerüstete und bestorganisierte Imperien. Sie scheinen dabei völlig zu verkennen, dass in der Realität sie das Imperium personifizieren und die Wüstenkrieger aus ihrem Zorn über die unverschämte Ausbeutung, Demütigung und Erniedrigung, die sie durch Uncle Sam seit Jahrzehnten erfuhren, in Anlehnung an den "Krieg der Sterne" einfach mal die Zwillingstürme umschubsten.

Die Wellen glätteten sich mittlerweile etwas. Die Araber beginnen, sich von ihren althergebrachten Despotien zu lösen und demokratische Verhältnisse anzustreben. Viele schüttelten angesichts der Untaten von Al Qaida nur noch die Köpfe. Just in diesem Augenblick langen die Amerikaner zu!

Dämlicher geht's nicht! Und wenn sie den alten Assassinen-Emir unbedingt zur Strecke bringen wollten - das sei ihnen ja unbenommen - warum dann die Aktion an die große Glocke hängen? So bastelt man sich einen Märtyrer! So vereint man die arabischen Völker wieder in einer antiamerikanischen Koalition!

Jetzt werden sich die Ausbildungscamps der Taliban und der Al Qaida wieder füllen. Das arabische Herz wird nach Rache schreien. Und die Alten, die sich bislang gemäßigt zeigten, werden nun sagen: "Na, so schlecht war unser Osama gar nicht. Der hat wenigstens etwas gemacht. Der hat gezeigt, dass die amerikanischen Imperialisten nicht unverwundbar sind. Der hat uns unseren Stolz wiedergegeben!" Das ist die Ernte, welche die U.S.A. mit ihrem blöden Getöse nun einfahren wird. Das ist der Fluch, den sie über ihre Verbündeten bringen.

Warum Osama nicht in aller Stille töten? Wer's war? Keiner weiß es. Warum ihn unbedingt zum arabischen Freiheitshelden hochstilisieren, weil der Samenstau seit dem 11. September eine ganze verlogen-prüde Nation nach diesem "Erfolg" zum öffentlichen Masturbieren treibt? Wieiviel Arroganz und Ignoranz und bodenlose Dummheit steckt dahinter, sowohl bei der Regierung als auch bei dem jubelnden Yankeevolk. Das ist hier kein Football-Spiel. Doch die Amerikaner scheinen es genauso aufzufassen.

Dabei vergessen sie, dass man sich immer zweimal im Leben sieht. Und sie vergessen die wichtigste Erkenntnis aus dem Desaster des 11. September: Dass die Welt nämlich im Zeitalter der asymmetrischen Kriegsführung angekommen ist. Vorbei die Ära der großen Panzerschlachten, der Infanteriegefechte und Grabenkämpfe. Die Geschosse der Gegenwart und Zukunft werden nicht mehr bei Krupp in Essen gedreht, sondern bei Boeing und Airbus in Chicago Ill., Hamburg und Toulouse zusammengeschraubt. Sie werden nicht mehr aus Kanonen und Mörsern abgeschossen, sondern nach Flugplan auf der Startbahn Delta 21 West gestartet, dann von Terroristen übernommen und in ihre jeweiligen Ziele gelenkt. Lockerbie, New York, Washington - alles begann mit Aktionen wie der Landshut-Entführung in Mogadischu. Feiert mal so richtig ausgelassen! Die wutschnaubenden "Gotteskrieger" werden euch das Feuerwerk dazu liefern – gratis!

Das Zelebrieren der Tötung bin Ladens ist ein Kotau vor den niedrigsten Instinkten der Menschen. Mit Vernunft hat das alles nichts zu tun. Ob von diesem alten Irren noch eine Gefahr ausgegangen ist - immerhin wird berichtet, er sei nicht mehr im operativen Geschäft gewesen - ist zweifelhaft. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihn lebendig zu fassen und in einem amerikanischen Kuckucksnest verschwinden zu lassen, über dem seinerzeit ja schon Jack Nicholson geflogen und abgestürzt ist. Diese zutiefst russische und damit geniale Methode hätte zwei Vorteile gehabt: Zum einen hätte man Osama jegliche Aussicht auf ein Märtyrertum genommen, denn wer will schon zu einem offensichtlich Geisteskranken beten, zum anderen hätte man sich mit Hilfe von Propaphenin und Haloperidol wirksamer bei dem Meuchler für seine warme Sanierung des Ground Zero bedanken können als mit einem Kopfschuss.

Doch soweit langt's bei den texanischen Viehtreibern nicht. Sie können nur eines - drauflosballern á la "Rambo" Stallone. Und dann die Whisky-Pulle kreisen lassen - mitten auf dem Times Square. Wie die Idioten tanzen sie um den erlegten Bären herum...

Vielleicht sollte man den Historischen Fakultäten der Ivy-Universitäten mehr Gehör verschaffen und den Amis über den Discovery-Channel etwas mehr Bildung angedeihen lassen, wie es bisher allen Imperien der Weltgeschichte ging, die den Boden unter den Füßen verloren hatten. Die Römer, als deren legitime Erben sich Washingtons Söhne und Töchter so gerne plakatieren, waren diejenigen, die einst sagten: Hodie mihi, cras tibi! Das ist verdeutscht: Heute ich - morgen du! Wer das zwischen New York und Los Angeles noch immer nicht begriffen hat, möge ruhig weiterfeiern. Denn nur allzubald wird ein böses Erwachen folgen. Dann vergeht den Schreihälsen von heute die Feierlaune gründlich und die Welt hört von jenseits des Großen Teiches nur noch das unisono gestöhnte "O my God!" Na, dann, Prost U.S.A.! Auf den Tod eines alten Verbrechers! Und auf das, was daraus folgen mag...

19. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
03.05.2011