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Spitzeln für den Rausschmiss
KiK gerät in den Fokus der Staatsanwaltschaft

Don M. Barbagrigia
Hängt es oder hängt es nicht? Das Porträt vom Genossen Minister für Staatssicherheit Erich Mielke über den Schreibtischen der Geschäftsführer von „KiK Textilien und Non-Food GmbH “ Stefan Heinig, Heinz Speet und Mechthild Gottkehaskamp. „Kunde ist König“ übersetzt der Textil-Discounter seinen Namen. Wie man das erreicht? Na klar: zu Lasten der eigenen Mitarbeiter, der Trolle und Gnome und Heinzelmännchen und -frauchen, die für erbärmliche Löhne zwischen 5 und 8 Euro pro Stunde malochen und sich dafür als „Teil des Teams“ fühlen dürfen. Werden diese armen Geschöpfe krank, dann gibt’s 10 Stunden pro Woche Lohnfortzahlung. Wer auf diese Hungerlöhne angewiesen ist, der hat schon bald mit seiner üblen finanziellen Situation zu kämpfen. Gerät er oder sie dann erwartungsgemäß in eine wirtschaftliche Schieflage, dann will der sich zu einer „sozialverträglichen“ Handelstätigkeit verpflichtende Konzern baldmöglichst von diesen Mitarbeitern trennen. Dann, wenn sie das bisschen Geld am Dringendsten bräuchten. Sehr sozialverträglich – fürwahr! Aber wie bekommt man das heraus, dass es den Lohnsklaven, ääh, pardon, den Mitarbeitern lausig geht? Na, liebe Wessis, die ihr euch doch immer mit einem so herrlich großen Maul über den Überwachungs- und undemokratischen Unrechtsstaat DDR mokiertet – es war wohl doch nicht alles schlecht, was? Zum Beispiel die flächendeckende Bespitzelung, der Datenraub, das Pressieren der eigenen entrechteten Bürger, wahlweise Bediensteten – das war doch was! Sandmännchen, grüner Pfeil – alles Nonsens. Kapiert sowieso kein Durchschnitts-Wessi. Aber das Spitzeln, das Ausforschen, das Angstmachen – das war doch mal ein gesamtdeutscher Sport. Wir erinnern uns, das war die Zeit als ein steifer rechter Arm eine deutsche Volkskrankheit darstellte. Und in der bolschewistischen Zone sorgten 17 Millionen Brüder und Schwestern dafür, dass diese üble Tradition wie unter einem gemütlichen deutschen Kaffeewärmer frisch und genießbar blieb. Na dann, Lidl, KiK – es ist angerichtet.
Auf ihrer Internetpräsenz beantwortet sich die Firma selbst die Frage, wie man die Ware zu einem sehr niedrigen Preis offerieren kann, ohne die Arbeiter auszubeuten. Wir fassen jetzt mal eigenmächtig die Ärmsten der Armen aus Bangladesh und die deutschen KiK-Kulis zusammen, denen diese Frage nach der Ausbeutung wohl gilt. KiK antwortet blumig in elf Zeilen. Wir schlagen demgegenüber zwei Worte vor: Gar nicht!
In seinem CoC, Code of Conduct, schreibt KiK unter Punkt 6: Zwangsarbeit: Alle Angestellten und Arbeiter müssen ihre Arbeit aus freien Stücken aufnehmen und auf eigenen Wunsch die Beschäftigung fortführen. Jegliche Form von Sklaven- oder Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft oder Gefängnisarbeit ist verboten. Beschäftigte dürfen nicht in ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Das ist formidabel. Wir schlagen vor, KiK möge den Passus noch um den Zusatz erweitern, dass den Angestellten auch die Freiheit zu verhungern garantiert wird. Denn warum soll man mit seinen sozialverträglichen Erfolgen hinter dem Berg halten, da man sie denn schon so lange praktizierte! Wenn eine KiK-Verkäuferin also überschuldet ist und die Geschäfts- oder Bezirksleitung davon Wind bekommen hat, dann half man ihr doch mit einem Kündigungsschreiben vom Recht zu Verhungern auch tatsächlich Gebrauch zu machen. KiK legt “Wert auf sichere und attraktive Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen”. Zu denen gehört offensichtlich, dass sich der Mitarbeiter der unteren Ränge so sicher fühlen darf wie der Patient in seinem Krankenbett: So, wie der Doktor alles über dessen Gebrechen weiß, so weiß eine fürsorgliche Geschäftsleitung alles über die wirtschaftlichen Maladitäten der armen Teufel unter ihrer Fuchtel. Mit dem Unterschied, dass der gute Arzt versucht seinem Patienten wieder auf die Beine zu helfen, während KiK seinen Leuten Beine macht – und zwar auf dem Wege nach draußen! Wer, Frau Gottkehaskamp, Herr Heinig und Herr Speet überwacht eigentlich Sie? Oder stehen Sie als brave Bonzen in bester DDR-Tradition über dem Hausgesetz? Und bekommen Sie auch nur 8 Euro die Stunde, oder sagen wir, als Geschäftsführer von 2.900 Filialen wenigstens derer 10? Natürlich nicht. Es ist so unerquicklich, so Übelkeit erregend, sich mit den Namen solcher Zeitgenossen herumschlagen zu müssen. Verwenden Sie wenigstens das Geld, dass Sie Ihren sozialverträglich gehaltenen Mitarbeitern abpressen, für schöne Rahmen um die Mielke'schen Konterfeis? Ach, Sie besitzen gar keine? Na, das nennen wir groben Undank! Dabei verdanken doch so einige westdeutsche Unternehmen ihm und seinem Apparat anscheinend viel. Man sagt ja nicht umsonst, lediglich die niedrigen Stasi-Chargen hätten im Westen nach der Wende als Taxifahrer und Nachtwächter anheuern müssen. Die Erfahrungen der höheren Offiziere wäre viel zu wertvoll gewesen, um sie irgendwelchem ideologischen Blödsinn zu opfern, mit dem man permanent den doofen West-Michel einlullt. Denselben Michel, der die Nase über seine Brüder und Schwestern in der Zone rümpft und nicht mitbekommt, wie er auf die gleiche Art und Weise von seinen eigenen Landsleuten vorgeführt wird. Aber das ist natürlich eine nicht zu beweisende Mutmaßung. Wir wissen das. Um Ihre Mitarbeiter auszuforschen, greifen Sie sicherlich auf einen eigenen „Experten“-Pool zurück. Nun ja. Das letzte Mal, dass wir mit KiK in Berührung kamen, blödelte sich Verona Proth über den Bildschirm des Fernsehers, eine Frau, deren verkannte Intelligenz wir immer zu schätzten gewillt waren. Bis zu diesem Auftritt. Denn was sie in dem Werbestreifen für KiK zeigte, war erbärmlich. Diese Frau sollte sich in Bangladesh besser nicht mehr sehen lassen. Oder doch? Dann wären wir ihrer bestimmt los und ledig. Die prägnante Devise ihres Schlusssatzes aber, „Qualität kommt von quälen“, machte uns nachdenklich. Da ist was dran, wenn wir auch den Begriff „Qualität“ bis zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt mit dem Textil-Discounter KiK in Verbindung brachten. Da wussten wir aber auch noch nichts von den qualitativ sicherlich hochwertigen Spitzel-Dossiers, in deren Folge sicherlich viele ehemalige KiK-Angestellte einen völlig neuen Begriff von dem Verb „quälen“ bekamen. Wir hingegen würden uns freuen, träte die zuständige Staatsanwaltschaft Dortmund nun der Geschäftsleitung von KiK ihrerseits quälend auf die Füße und wenn nachfolgend ein deutsches Gericht diesen sozialverträglichen Handelsleuten klarmachte, dass die Spitzelei gegen die nationale Gesetzgebung verstößt. Wir hätten da beispielsweise das Bundesdatenschutzgesetz BDSG anzubieten, dessen § 44 Abs. 1 (Strafvorschriften) androht: „Wer eine … vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Eine den Verkäuferinnen oder den Mitarbeitern gegenüber auf Grund deren Illiquiditäten oder angeschlagenen Bonitäten ausgeprochene Kündigung schädigt diese Leute mit Sicherheit, wenn man davon absieht, dass es bei dialektischer Betrachtung auch einen positiven Aspekt zu vermerken gilt: Der Abschied von KiK kann durchaus auch einen persönlichen Gewinn darstellen, wenn man denn anderen Ortes wieder in Lohn und Brot kommt. Für die Geschäftsleitung, also den Konzern selbst, könnte der Vorwurf des Sich-Bereicherns auf Kosten der Entlassenen zutreffen, wenn uns auch nicht klar ersichtlich ist, wieso. Aber wir können getrost davon ausgehen, dass es so ist, weil solche Ausbeuter einen solchen Schritt sonst nicht in Erwägung zögen. Wie dem auch sei: Selbst der CoC §1 wird mit dem Satz „Alle Angestellten und Arbeiter müssen mit Respekt und Würde behandelt werden“ eingeleitet. Die KiK-Geschäftsführung hat möglicherweise eine eigene Vorstellung von Begriffen wie „Respekt“ und „Würde“. Eine, die sich wohl kaum mit der im christlichen Abendland gebräuchlichen Idee von diesen Werten in Übereinstimmung bringen lässt. Vielleicht sollte die so effektive Recherche-Abteilung von KiK einmal abwechslungshalber dieser Begrifflichkeit nachspüren. Die deutsche Justiz sollte ihr dabei hilfreich zur Seite stehen! Mehr noch aber als Justiz und Gewerkschaften ist die deutsche Kundschaft gefordert – denn diese kapitalorientierte Lumperei ist ein Angriff auf die Grundrechte der Bürger eines freiheitlich-demokratischen Staates. Und nicht ein Tüttelchen weniger!

17. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
22.07.2010