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Hessens große Klappe
Das unsympathische Getöse des Roland Koch

B. St. Fjoellfross
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Ist das die Devise, nachdem sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zum Stänkerkopp der Nation mausert? Nun will er gar die Hartz-IV- Empfänger zur Arbeit verpflichten. Hört sich zunächst logisch an. Keine Leistung ohne Gegenleistung. Der Staat ist bankrott und Koch dealt einfach mit den Realitäten, anstatt sich und anderen noch etwas vorzumachen. Also, wenn der Leistungs-erwirtschaftende Bevölkerungsteil schon Geld geben muss, um die zu ernähren, die sich nicht selbst beköstigen, behausen und ihren Lebensunterhalt sicher stellen können, weshalb sollten diese schaffenden Leute kein Anrecht auf eine entsprechende Gegenleistung durch die Leistungsempfänger haben? Es gibt genug Arbeit – sie liegt quasi unerledigt auf der Straße, weil kein Aas sie mehr bezahlen kann oder will. Da können sie doch anpacken, die Alimentierten, oder? In der Theorie hört sich das ganz gut an. Gerade vor dem Hintergrund, den Koch auch ganz ungeniert zum Leidwesen der Linken angesprochen hat: Dass nämlich unter denen Hartz-IV-ern eine ganz Menge Sozialschmarotzer parasitieren, die gar nicht einsehen, warum sie im Leben auch nur einen Finger krumm machen sollen. Die ihre unverschämte Haltung dumm-frech vor den Kameras oder vor den Bockwurstbuden präsentieren. Vor allem die will er wohl treffen, der Roland Koch. Aber es gibt auch die anderen: Was ist mit denen, die lange und hart arbeiteten und oftmals unverschuldet ihren Erwerb verloren, weil beispielsweise Banditen im Nadelstreifen die Grundlage des Broterwerbs in den Dreck gefahren haben? Gelackte Strolche, mit denen Koch naturgemäß mehr zu tun hatte, als ihm lieb sein kann. Die er am Ende noch förderte, wo es ging. Lobbyarbeit und Klientelpolitik nennt man das seit Jüngstem in deutschen Landen. Will er diese Opfer seiner Spezis noch mal schurigeln? Ja, solchen unangenehmen Fragen sollte sich Koch stellen, bevor er wieder einmal populistisches Zeug herausposaunt. Er schert Leute über einen Kamm, die ihr Elend alles andere als verdient haben. Diese Menschen, die arbeiten wollen und die sich ein Leben lang über ihren Broterwerb definiert haben, die durch die Krise, familiäre Tragödien, Unfälle oder Krankheiten in die Bedürftigkeit abgerutscht sind, wurden oft schon bei der Antragsstellung das erste Mal mit der entwürdigen Behandlung durch jene konfrontiert, die noch auf einem sicheren Sessel zu sitzen glauben. Es ist die Hölle, mit einem Mal vor den Schaufenstern und Kinoplakaten zu stehen und nicht mehr teilhaben zu können am normalen und gewohnten Leben. Jeder Pfennig zählt, muss gedreht und gewendet werden, und da kommt so ein Politbonze namens Koch aus seinem dicken Benz gekrabbelt und reißt das Maul auf? Ja, wie instinktlos ist das denn? Instinktlos genug, um Koch als Ministerpräsidenten zu desavouieren. Von einem Spitzenpolitiker sollte man eine höhere Fähigkeit zur Differenzierung und einen sensibleren Umgang mit einer solch explosiven Thematik erwarten dürfen. So stößt man keine Diskussion an, die zugegebener Maßen angestoßen werden muss. Es gibt ja Elemente in Kochs Vorstoß, die überlegenswert und durchaus berechtigt sind. Man soll aber in jeder Hinsicht die Spreu vom Weizen trennen und genau das ist teuer. Man muss Parameter festlegen und umsetzen, die asozialen Elemente mobilisieren und unverdient in Armut Geratene schonen. Sie nicht in eine moderne Variante der mittelalterlichen Leibeigenschaft zwingen, sondern ihnen zu ihrer Würde zurückhelfen. Sie müssen dort arbeiten können, wo sie gut und bewährt waren und nicht Zigarettenkippen aufpieksen! Es ist schlicht nicht zumutbar, dass ein Lehrer, kaputt gespielt von einem insuffizienten Erziehungssystem, auf seine alten Tage zum Spott seiner beschulungsresistenten Schüler den Park fegt und ihnen ihre Müll hinterherräumt. Es kann nicht sein, dass ein Dreher über den Spargelacker krauchen muss, weil seine Bude während der Krise schlapp gemacht hat. Und wer garantiert uns, dass solche unverschuldet arbeitslos Gewordene nicht durch Hintertürchen in die ausbeuterischen Finger derer geraten, die an ihrer Misere schuld sind? Dass sie plötzlich von denen in die Fron genommen werden, von denen sie vor kurzem noch mehr oder minder anständig bezahlt wurden. Just diese Ausbeuter dürfen sich der Unterstützung der Kochs sicher sein. Die Geschundenen aber, welche gerade der Hilfe des mächtigen Kochs bedürften, werden von ihm verhöhnt. Andrea Ypsilanti war keine Alternative. Roland Koch ist auch keine.

15. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
19.01.2009