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Lann unner för Plattdüütsch
Sprachtagung in Templin


von Michael L. Hübner

Vor noch zwei Generationen war Platt auch in der märkischen Zauche und im Havelland bei den Alten Verkehrs- und Umgangssprache. Doch seit der Reformation mit ihrem Einzug des Kanzleisächsischen galt die Niederdeutsche Sprache als unfein, den unteren gesellschaftlichen Schichten zugehörig. Selbst die sie sprachen, verurteilten sie zum Tode. Denn schließlich sollte man ihren Kindern nicht gleich anmerken, welchen Standes und welcher Herkunft sie wären. Und so verschwand das Platt sukzessive aus dem mitteldeutschen Raum und selbst an der Waterkant kämpfte es ums Überleben.
Nun, im Zeitalter der europäischen Regionen und des aussterbenden Nationalismus besinnt man sich wieder auf die alten Schätze wie auf einen alten Brennabor, den man zufällig unter Ballen von Heu und Stroh unter Großvaters Tenne entdeckt hat. Do stoat dat Prachtstück. Avers nu kiek man tau, dat et wedder lopen duat! Mok man. Billich wierd dat nich. Sie sehen, wir schwenken aufs Platt um. Fällt uns gar nicht schwer. Aber da stehen wir zumindest in unserer Region so ziemlich alleine. Die Revitaliserungswelle kämpft sich mühsam von der Küste her wieder auf ihre alte ik/ich-Grenze zu, die zwischen Fläming und Mütterchen Elbe verlief..
Am Sonntag, dem 18. April 2009 kam sie zaghaft und wenigstens temporär in dem uckermärkischen Städtchen Templin an. Einige norddeutsche Vereine und der Brandenburgische Kulturbund trafen sich zu einer Tagung zur Rettung der niederdeutschen Sprache. Vielleicht hätte man sich doch lieber in der Landeshauptstadt austauschen solle, damit das brandenburgische Kultusministerium den Handlungsbedarf erkennt. Denn noch wird vehement bestritten, dass es in Brandenburg noch etwas gibt, was man retten könne. Sie verstehen: der Dodo, der Tasmanische Beuteltiger, det Plattdüütsche...
Aber das ist ja nicht wahr. Wenn die Bewusstseinslage noch dünn ist, dann muß man ihr eben auf die Sprünge helfen. Das geht auch in denen Städten, Dörfern und Amtssitzen. Dann fertigen wir eben jedes Verkehrsschild, jeden Amtshinweis, jedes Prospekt zweisprachig an. Jeder Touristenführer wird um einen plattdüütschen Teil ergänzt. Dann fliegt dafür eben slowenisch raus. Das kostet? Natürlich kostet es. Aber es ist wie überall. Man muß wissen, was man will.
In Norddeutschland sind reetgedeckte Häuser Zeichen von Heimat und regionalem Bezug? Schilfdeckung ist teuer? Aber die Leute bezahlen es doch. Denn die Heimat ist ihnen wichtig, ist es ihnen den Einsatz wert. Denn dann heben sie sich ab von den anderen – und das wollen sie doch alle. Verfehlt ist es, die kleinen Kinder zum Lernen des Plattdüütschen nur über das Argument zu animieren, „...dann könnt ihr euch mit euren Großeltern unterhalten, ohne dass euch die Eltern verstehen“. Dieses Lockmittel ist in ein paar Jahren erledigt. Nein, sagt Ihnen, dass das Platt ihr Erbe ist. Damit können sie sich distinguieren, Gruppenidentität aufbauen. Da brauchen sie keine bescheuerten Szenen-Edelklamotten, amerikanische Ghettokultur, getragen von Pimpfen, die noch nie in Amerika waren. Keine abartigen Basecaps auf dem Kopf, sondern ein bisschen Hirnschmalz im selbigen. Basecaps haben hier keine Wurzeln – Platt schon.
Leider gelang es den Tagungsteilnehmern nicht, ein verwertbares Ziel zu erreichen. Zwei Referate – davon nur eines, wie es sich auf solch einem Symposium gehört – in Platt! Das andere – trockene, wissenschaftliche Statistik zum Gähnen, in fehlerfreiem – Hochdeutsch. Platt ist vom Herzen und braucht Herz. Es braucht Liebende, Glühende. Leute, die auch in der Mittagspause am Tische sitzend und ihre Suppe löffelnd, platt reden. Ein einziger, nur ein einziger Tisch tat dies. Was soll das für ein Plattdeutschen-Forum sein? Es ist ja, als würden die Teilnehmer eines Esperanto-Kongresses alle deutsch, englisch, spanisch und russisch parlieren! Da fängt es nämlich an. Und welche Begeisterung wollen die Freunde dieser Sprache vermitteln, wenn es ihnen selbst an ebenjener gebricht.
Eine ähnlich enttäuschende Erfahrung musste der aus Bremen angereiste Sprachwissenschaftler Dr. Reinhard Goltz machen, der den Bundesrat für die Niederdeutschen vertrat. Er forderte die Gründung eines Dachverbandes, dem sämtliche Informationen aller Aktivitäten der einzelnen Mitglieder zufließen und der alle Bemühungen synergetisch bündeln kann. Ein solcher Dachverband könnte denn auch gegenüber den Ministerien machtvoller auftreten, wenn es um die Umsetzung der oben angedachten Maßnahmen ginge, wenn es europäische Förderungen oder gesetzlichen Schutz einzuklagen gälte, wenn es um die Durchsetzung des fakultativen, plattdüütschen Unterrichts zu tun wäre. Die Gelegenheit zu Templin war günstig, einen solchen vernünftigen Dachverband gleich vor Ort aus der Taufe zu heben. Sie wurde verpasst, vertrieft und verschlafen. So rettet man keinen Tasmanischen Beuteltiger und keine im Sterben begriffene Sprache. Das ist sehr schade und wir befürchten beinahe, jede verpasste Möglichkeit ist ein weiterer Nagel im Sarg der schönsten und gefühlvollsten aller deutschen Sprachen. Hol doch dat de schwatte Düwel! Dat doch de Lüüd bloot man upwaken wullten!

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
22. 04..2009