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Schreiben des Landboten an Frau Dr.D.Tiemann (CDU),
Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel

Erinnerung an die Stodoranen,
die einstigen Herrn des Havellandes

Plaue an der Havel, den 21. Oktober 2005

Liebe, sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin,

es ist sicherlich Ihrer Stadtregierung zu danken, daß der Fahrradweg südlich des Breitlings und des Möserschen Sees zwischen der Malge und dem Dorf Kirchmöser nun endlich in einen hervorragenden Zustand gebracht wurde, der der Erschließung des überwältigenden touristischen Kapitals unserer Heimatstadt einen gewichtigen Baustein hinzufügt.
Der Preußische Landbote gestattete sich, diesem Anlaß mit einem Artikel dankbar Rechnung zu tragen.
Dies ist jedoch nicht der eigentliche Grund für dieses Anschreiben.
Vielmehr ist es mir eine Herzensangelegenheit Sie zu bitten, die Möglichkeit zu überprüfen, mit dieser wunderbaren Route die einstigen Bewohner unserer Heimat zu ehren, die der sächsisch-deutschen Ostexpansion nach zähem Ringen erlagen.
Es ist dem Landboten bekannt, daß die Stadt Brandenburg diesbezüglich seit geraumer Zeit großes Engagement beweist. Das Slawendorf und das Slawenboot „Dragomira“ belegen dies deutlich.
Aus diesem Grunde hoffe ich, bei Ihnen auf Verständnis zu treffen.
In der Stadt Brandenburg wird, was Namensgebungen betrifft, den slawischen Ahnen lediglich mit einem Triglafweg und einem winzigen Gäßchen auf der Dominsel gedacht, auf der sich einst eine der ostelbischen Hauptburgen befand. Dieses Gäßchen trägt bezeichnenderweise den Namen „Hevellerstraße“. So aber sprachen die sächsisch-deutschen Nachbarn, die später zu Eroberern dieses Landes werden sollten, unsere slawischen Mütter und Väter an.
Diese selbst nannten sich „Stodorani“, nach dem Lande Stodor, das ihre Heimat war und das wir heute unsere Heimat nennen.
Es fehlt in unserer Stadt an jeglichem prägnanten Hinweis auf diese entscheidende Epoche unserer Vergangenheit.
Ja, ganz im Gegenteil, scheint die offizielle Geschichtsschreibung unserer Heimatstadt erst mit König Heinrichs Sturm auf die Brandenburg im Winter 928/ 929 zu beginnen. Diese fatale Tradition, die von den Siegern der Geschichte festgelegt wurde, bescherte uns gar eine Gerostraße, die den meisten Brandenburgern bekannter sein dürfte als die Hevellerstraße. Markgraf Gero aber war ein schlimmer und heimtückischer Mörder, dessen Verständnis von christlicher Expansionspolitik schon mal darin ausufern konnte, 30 slawische Häuptlinge zu bilateralen Gesprächen zusammenzurufen, um sie dann währen des Diners zu ermorden. Klar definiertes Ziel war die endgültige Brechung des slawischen Widerstandes. Keine christliche Tradition sollte solcher Gewaltverbrecher in Ehren gedenken! Unser Andenken sollte vielmehr Menschen gelten, die ihren christlichen Nachbarn oftmals friedliche Heimstatt und freie Ausübung ihrer für sie fremden Religion gestatteten, also wahre christliche Gesinnung unter dem Mantel ihres Heidentums vortrugen, wogegen die späteren christlichen Konquistadoren leider häufig genug Intoleranz, Dogmatismus und Diskriminierung an die Havel brachten.
Sehen Sie, verehrte Frau Oberbürgermeisterin, das Drama um den Krieg gegen die amerikanischen Ureinwohner wurde bei uns genau neunhundert Jahre früher aufgeführt. Nur daß die Indianer den gegen sie gerichteten Vernichtungsfeldzug mit knapper Not überlebten und somit nunmehr wenigstens eine Chance haben, ihre Interessen zu artikulieren.
Unsere slawischen Ahnen aber sind bis zum Ende des siebzehnten Jahrhunderts systematisch zu Tode assimiliert worden. Sie haben nun keine Lobby mehr und keine Stimme, die sich für sie erhebt. Ihre Kultur ging vollständig unter. Was einzig noch an sie erinnert, sind ihre germanisierten Flur- und Ortsnamen und ein paar archäologische Artefakte.
Wäre es da nicht ein Zeichen, wenn wir diesen neuen Radweg, der durch eine der schönsten Gegenden führt, die unseren ostelbischen Müttern und Vätern ernährende Heimat war, beispielsweise „Stodoranenweg“ nennten, begleitet von einigen Schautafeln, auf denen erklärend auf die Geschichte unserer vergessenen Vorfahren hingewiesen würde?
Das würde die Stadt nicht die Welt kosten – ihr aber einen großen moralischen Gewinn einbringen. Im Übrigen: Diese Menschen, auch wenn sie die unglücklichen Verlierer der Geschichte waren, zählen zu unseren Wurzeln. Ein Bekenntnis zu ihnen würde Zeichen setzen – unter anderem Zeichen einer auf gesunder Objektivität fußenden Heimatliebe und -verbundenheit. Menschen, die sich ihrer Wurzeln bewußt sind, werden diese nicht so leicht kappen, sondern hier bleiben und der Heimat zu Prosperität verhelfen, statt ihr den Rücken zu kehren um in der Fremde ihr Glück zu machen.

In der Hoffnung, Ihre Geduld, verehrte Frau Oberbürgermeisterin, mit meiner bescheidenden Anregung nicht ungebührlich auf die Probe gestellt zu haben

Verbleibe ich Sie herzlich grüßend

Ihr sehr ergebener

Hübner
-Preußischer Landbote-

7. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005