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G U E S T A V

Guestav


Am Mittwoch, dem 17. August 2005 um 23:15 Uhr verließ Guestav Last diese Welt. Unser Katzenbruder Guestav ist nicht mehr bei uns. Sein Heim ist verwaist. Noch schreit jede Ecke nach ihm und das Herz blutet.
Er wurde geliebt und geachtet. Denn Guestav hatte das große Katzenglück, einen Bruder und Gefährten auf dieser Welt gefunden zu haben, der ihn innigst liebte - diese beiden waren Teil eines Ganzen.
Wer immer glaubt, auf einen Kater, Hund oder Rattchen ihrer Gestalt und Größe wegen herabsehen zu müssen als eben auf ein Haustier, das auf einer dem Menschen nachgeordneten Stufe befangen sei, der hat dieses Leben nicht begriffen. Guestavs Menschenbruder Jens-Peter aber war diesem Irrtum mitnichten verfallen. Er wußte stets und immer und in jeder Minute um den unwiederbringlichen Wert des kleinen Bastetsohnes.
Der kleine Katzenmann war Zeit seines Lebens, buchstäblich bis zu seiner letzten Minute, ein Lehrer. Und hier ist nicht die Rede von einem gewöhnlichen Pädagogen. Er war ein Lehrer im klassischen Sinne. Einer, zu dem man gut daran tut, in Ehrfurcht aufzublicken.
Katzenbruder, wir verneigen uns vor Dir und dem, was Du uns für unser Leben mitgabst. Du hast uns die bedingungslose, die aufrichtige Liebe und das große Vertrauen gelehrt. Deine Grabsäule richten wir in unseren Herzen auf.
An den Toren der Dämmerung wird SIE Dich erwarten und das Prinzeßchen wird bei IHR sein. Über den Styx hinweg werden Deine Öhrchen hören, wenn wir Deinen Namen rufen.
Als ich Dich das letzte Mal sah, hob und senkte sich Dein Fellchen über dem tapfer pochenden Herzchen, noch maunztest Du uns etwas zu und richtetest Dein Köpfchen auf, um Dich umzuschauen nach Dingen, die Deine lieben Augen kaum mehr zu sehen vermochten. Draußen, auf dem Balkon aber saß der mächtige Erzengel Gottes, der des Herrn Personalbüro vorsteht. Die Sense lehnte an der Wand, auf dem Holztisch abgestellt lag das fatale Stundenglas. Das Gesicht in der Kapuze und von den Händen verborgen - weinte er? Er tat es. Denn manche Aufträge, die er von seinem Chef erhält, erweisen sich auch für ihn als zu hart. Siebzehneinhalb Jahre konnte er die Ordre, Dich zu holen, immer wieder vom Tisch fallen lassen. Nun sah es so aus, als hätte der Vater aller Dinge insistiert. Es nutzte nichts. Er mußte nun. Uns lähmte die Hilflosigkeit, Dein Leiden mitanzusehen und nur für etwas Bequemlichkeit zu sorgen, Dir etwas Wasser zum Schlappern geben zu können und mit jedem Augenblick gegen den eigenen Schmerz anzukämpfen, der allerdings gegen Dein schweres Abschiednehmen verblassen mußte.
Kleiner Katzenmann! Was bleibt, ist die Liebe zu Dir und die Dankbarkeit für alles, was Du gabst.
Schlafe süß, kleiner Schnurrer, Maunzer, Katzenseele! - bis wir uns wiedersehen!

Dein Sammetpfötchen küssend

Sabine Ratz Katzentraum

Kotofeij Kryisowitsch Bajun

Plaue an der Havel am 17. August 2005

Wenige Stunden, bevor Guestavs Katzenseelchen auf seine letzte Reise ging, ließ sich eine Taube in der Abenddämmerung auf dem Balkon nieder und blieb dort sitzen, zu dem entkräfteten Sterbenden hinüberschauend. Dieser aber, der schon sonst zu keiner Reaktion mehr fähig war, hob das Köpfchen in ihre Richtung und sah sie an...

6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005