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        zum Landboten   | Ehrenbürger in Brandenburg 
        an der Havel   Jules-Francois Savinien 
        LemarcouDie Kanusportlerin und mehrfache 
        Olympiasiegerin Frau Birgit Fischer ist Ehrenbürgerin der Stadt Brandenburg 
        an der Havel geworden und durfte sich ins goldene Buch der Stadt eintragen. 
        Wir beglückwünschen sie natürlich aufrichtigen Herzens 
        zu dieser Ehre und freuen uns, daß Frau Fischer fortan die öffentlichen 
        Verkehrsmittel sowie die Museen der Stadt Brandenburg kostenlos nutzen 
        darf.
 Doch soll dieser Artikel keiner Gratulationscour gewidmet sein.
 Vielmehr wollen wir darüber nachdenken, welche Kriterien einen Menschen 
        wohl für eine Ehrenbürgerwürde prädestinieren.
 Unser Gefühl sagt uns, daß dieser Mensch etwas Herausragendes 
        für seine Gemeinde geleistet haben sollte. Auf Brandenburg bezogen, 
        bedeutet dies, daß ein Bürgermeister, der die Stadt lebenswert 
        gestaltete, der Investoren anzog und öffentliche Schmuckstücke 
        schuf oder sanierte, in den Genuß dieser Auszeichnung kommen sollte. 
        Oder ein Investor, der der Stadt viele neue Arbeitsplätze und damit 
        ein gutes Steueraufkommen bescherte. Oder ein Privatmann, der einen schönen 
        Park zur Erholung aller anlegen ließ, wie es einst ein Schornsteinfegemeister 
        mit dem Krugpark ins Werk setzte. Oder ein Historiker, der den Bürgern 
        ihre Wurzeln aufzeigte, ihnen Heimatverbundenheit und damit Standfestigkeit 
        verlieh. Alle diese Leute sollten so geehrt werden. Keine Frage!
 Aber ein Sportler?
 Warum ein Sportler? Was hat er außergewöhnliches getan, außer 
        sich und der Welt zu bewiesen, daß er in seiner Disziplin über 
        lange Zeit der oder die Beste war? Sagen jetzt viele Investoren und Bankiers: 
        „Ei der Daus! Das muß ein Ländchen sein, das solche Menschen 
        hervorbringt! Da laßt uns hineilen!“? Sagt die Bevölkerung: 
        „Einer von uns. Das macht uns stolz. Deshalb werden wir dem nacheifern 
        und hierbleiben und zeigen, daß noch mehr in uns steckt!“
 Daß Teile der Bevölkerung sich mit dem Star aus ihren Reihen 
        identifiziert, soll nicht in Abrede gestellt werden. Die hängen sich 
        auch Ferrari-Fahnen über ihren Balkon und nennen ihre Kinder Steffi 
        und Boris. Aber das hat nichts zu sagen. Die lassen sich nicht zu eigenem 
        Ehrgeiz verleiten, die wollen bloß Trittbrettfahren und ein bißchen 
        abhaben vom Ruhm des Großen.
 Doch haben sie Grund und Anlaß dazu? Wir Landboten bewohnen dieselbe 
        Stadt wir Frau Fischer. Zufällig! Sie kennt uns nicht, wir kennen 
        sie nicht. Nichts haben wir beigetragen zu ihrem Erfolg – so kann 
        er der Unsrige nicht sein. Sie glänzt für sich – nicht 
        für uns!
 Zumal Spitzensportler in den allermeisten Fällen für sich, für 
        ihr starkes und übermächtiges Ego kämpfen. Daß sie 
        eine Fahne ins Stadion tragen, ist oft nur Show für die Zuschauer. 
        Die wenigsten Sportler gehen aus Patriotismus unter Verleugnung ihres 
        Ichs in die Arena. Zu diesen Wenigen mögen einige Russen, Chinesen, 
        Amerikaner, DDRlern und andere Exoten gehört haben. Die einzigen, 
        denen wir ohne zu zögern abnehmen, daß sie ihrem Lande zur 
        Ehre schwitzten, waren die jamaikanischen Bobpiloten.
 Die anderen sind oft heillose Egomanen – ich, ich, ich und nochmals 
        ich! Sie trainieren Tag und Nacht, damit sie eines Tages auf dem Siegertreppchen 
        stehen – und nicht ihre Landsleute! Frau Fischers Name geht in die 
        olympischen Annalen ein, nicht der Brandenburgs. Und das ist auch richtig 
        so – denn sie hat die enorme sportliche Leistung erbracht.
 Das aber sollte man säuberlich trennen von den Verdiensten um eine 
        Stadt, eine Gemeinde, ein Land. Es sei denn, ein patriotischer Aufschwung, 
        wie oben beschrieben, würde durch eine solche Leistung tatsächlich 
        initiiert! Dann sieht die Sache ganz anders aus. Dann ist eine Ehrenbürgerschaft 
        gerechtfertigt. Aber erst dann und nicht früher!
 Alles andere sind, so paradox es sich an dieser Stelle ausnehmen mag, 
        im Hinblick auf eine Ehrenbürgerschaft Vorschußlorbeeren. Die 
        adäquate Anerkennung für seine Leistungen hat der Sportler als 
        solcher ja schon mit der Medaillenvergabe erhalten. Und die wurde auch 
        erst nach siegreicher Beendigung der Wettkämpfe durchgeführt. 
        Genauso sollte die Medaille „Ehrenbürgerschaft“ also 
        auch erst verliehen werden, wenn die entsprechenden Verdienste um die 
        Gemeinde sichtbar auf der Hand liegen.
 Wir betonen noch einmal, um möglichen oder böswilligen Mißverständnissen 
        vorzubeugen: Wir neiden nicht Frau Fischers überragenden Erfolg, 
        wir freuen uns für sie. Was wir an dieser Stelle kritisieren, ist, 
        daß die Stadt offenbar ihre Möglichkeit der besonderen Würdigung 
        mißbraucht, um sich mit fremden Federn zu schmücken. Frau Fischer 
        wird hier über die Verleihung dieser Auszeichnung vor einen Karren 
        gespannt. Ihr persönlicher Ruhm soll den der Stadt mehren. Das finden 
        wir zutiefst unsportlich, zumal die Stadt Brandenburg was ihre eigenen 
        Erfolge betrifft, eher das Gegenteil ihrer berühmten Tochter verkörpert.
   Nachsatz aus dem Jahre 2007 Ich stimme mit 
        dem Beitrag des Kollegen Lemarcou nur bedingt überein. Die immense 
        Vorbildwirkung dieser Ausnahmesportlerin sowohl in sportlicher als auch 
        in menschlicher Hinsicht ist meiner Ansicht nach dazu angetan eine solche 
        Ehrenbürgerschaft zu rechtfertigen. Ebenfalls ist der verehrte Herr 
        Kollege dahingehend zu korrigieren, daß bis dato in der Satzung 
        der Stadt Brandenburg noch keine wie auch immer gearteten Privilegia für 
        Ehrenbürger festgeschrieben sind. Dieses soll erst zum Gegenstand 
        von Beratungen der Stadtverordneten-Versammlung gemacht werden. Der Landbote 
        wird zum gegebenen Zeitpunkt berichten.Brandenburg an der Havel, den 
        12. 09. 2007
 Kotofeij K. Bajun
 stellv. Chefredakteur
   
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