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Gespenstischer Nebel über der Mordsee
Biikenbrennen hätte heller leuchten können

Kotofeij K. Bajun
Je nun ... Wenn also der Herr Niemann seinen "Fluch des Meeres – Biikenbrennen" vorbildfrei aus dem Ärmel geschüttelt hätte, ja dann ... Dann wäre uns wohl ein "Chapeau, Monsieur!" entfleucht.

So aber ... Hmmm ... Also eines vorweg: Schlecht ist er nicht, der Streifen. Nicht nur das – ihm sogar das Prädikat "gut" zuzusprechen, wäre nur eine geringe Übertreibung. Herrn Niemann gelingt es sogar, Spannung in die 93 Minuten Spielzeit zu bringen. Das hat was, doch, auf jeden Fall!

Viel Dunkelheit an der norddeutschen Küste, viel Spuk und Blut, ein Untoter schummelt sich auch noch durchs Geschehen ... also wo läuft der Kutter auf Grund? Dazu müssen wir zunächst einmal erklären, worum es überhaupt geht. Kurze Zusammenfassung: reicher, entsäkularisierter, durch und durch materialistisch-rationaler, affektierter und egozentrischer Geschäftsmann aus Hamburg zieht mit seiner asthmakranken Tochter an die Nordseeküste, von deren salziger Luft er sich Linderung für das Leiden seines Kindes erhofft.

Dort trifft er auf eine junge, natürlich ausgesprochen hübsche, Doktorin der Meereskunde, die dort oben forscht und in deren Beisein ein Gespenst die Tochter entführt. Bei dem Gespenst handelt es sich um den mordenden Wavlew, der im Jahre 1586 sein unselig Ende fand und dessen Geschäftsidee darin bestand, Kinder aus den Küstendörfern zu entführen, um sodann von den Dörflern Lösegeld zu erpressen.

Der Unhold kann durch das Biikenbrennen von der Küste ferngehalten werden. Da aber der abgeklärte, aller Spökenkiekerei abholde Unternehmer den Dörflern verbietet, das seit über vierhundert Jahren traditionell auf seinem frisch erworbenen Grundstück stattfindende Biikenbrennen abzuhalten, hätte er dem Seeräuber auch gleich eine Einladungskarte drucken können. Töchterlein wird also von Wavlew entführt und das Traumpaar macht sich gemeinsam auf, das Böse zu besiegen. So weit, so gut.

Wie gesagt, es hätte alles Spitze sein können, wenn da nicht hinter allen Ecken und Enden der Pate "The Fog" von Carpenter durchscheinen würde. Eine geniale Adrienne Barbeau ist nicht zu toppen, ebenso wenig, wie die unglaublich verdichtete Atmosphäre des Originals. Nota bene, wir sprechen von der 1980er Verfilmung und nicht von dem scheußlichen und abgeschmackten 2005er Remake.

Aber leider gilt inDeutschland immer noch: „Vom Yankee lernen, heißt siegen lernen!“ Ist ja auch nicht grundverkehrt. Carpenter ist ein Weltklasse-Regisseur. Wenn also Herr Niemann mal bloß von Mr Carpenter gelernt hätte! Aber nein! Hier muss Effekthascherei rein, hysterisches Gekreische von einem überdrehten Narziss in Gestalt des Schauspielers Christoph M. Ohrt. Da muss gebrüllt und hektischer Aktionismus entfaltet werden. Der Genosse Pirat sowie die eine gewisse Dr. Tanja Speichert spielende Anja Kling gewinnen unglaublich an Sympathie, weil sie dem Wuselmännchen Ohrt zweimal kräftig eins über den Kürbis ziehen und ihn somit wenigstens für kurze Zeit zur Ruhe bringen. Überhaupt – die Anja Kling gehört mit den Dörflern, allen voran dem genial spielenden Hans Diehl als Dorfschulzen, zu den eigentlichen und wahrhaftigen Trägern dieses Films, die ihm nebst einigen brauchbaren Landschaftsaufnahmen zu der Qualität verhelfen, die ihm nun mal nicht abzusprechen ist.

Warum hört man sonst nicht viel von dieser wirklich guten Darstellerin? Ihre Filmographie liest sich beeindruckend. Also warum kommt es, verdammt noch mal, keinem guten Regisseur in den Sinn, die erstklassige Frau auch mal wirklich für ein erstklassiges Projekt zu verpflichten? Bei dem absolut brillant agierenden Hans Diehl ist das ja vorbildlich gelungen!

Nun gut! Kommen wir zur Handlung! Die hat so ihre Risse in der Konsistenz. Bei „The Fog“ war das alles noch schlüssig: Arme Leprakranke werden um ihr Geld geprellt und in den Tod gelockt. Die wollen sich rächen. Verständlich. Aber was ist mit Biikenbrennen? Klar, hier kann Europa unverdientermaßen aus dem Vollen schöpfen, wo sich Amerika die Karten legen muss: Während das grause Geschehen in Kalifornien erst hundert Jahre zurückliegt – viel weiter reicht dort die Geschichte der europäischen Einwanderer ja nicht – kann Herr Niemann tief ins Dunkel vergangener Jahrhunderte greifen. Bis ins ausgehende Mittelalter sogar. Na, da liegt doch Musike drin! Vierhundert Jahre hört sich schon anders an, als einhundert.

Und auch ein vierhundertjähriger Deichgraf, der sich als Betrüger und Dieb aus Wavlews Crew herausstellt, macht allein schon durch dieses biblische Alter etwas her. Leider aber nur dadurch. Der ganze Rollstuhl fahrende Deichgraf zieht eine ziemlich aufgesetzte Show ab. Richtig spooky und gruselig muss es dagegen bei allen örtlichen Standesbehörden zugegangen sein, die durch die Säkula hinweg dem langlebigen Herrn von Bütow wahrscheinlich immerwährende Personaldokumente ausstellten. Und – so fragt sich der Nörgler, wie hat der fluchbeladene Langlebige, unter dem sich der Boden verflüssigt, sobald er ihn mit seinen Füßen berührt, vor der Erfindung des Rollstuhls beholfen? Schwang er sich wie ein Affe von Ast zu Ast?

Was aber den Faden endgültig abreißen lässt, ist, dass hier ein mittelalterlicher Schurke mit Kapitänsstreifen erfolgreich für unrechtmäßig ergaunertes Hab und Gut kämpft. Und man ihm das auch noch zuschustert, statt ihm einen ordentlichen Exorzismus überzuhelfen! Das völlige Fehlen des „Apage Satanas!“ entzieht der Erzählung die moralische Rechtfertigung. Niemand kommt anscheinend auf die Idee, dass der Dämon nicht den geringsten Anspruch auf den erpressten Zaster hat. Weder auf diesen, noch auf die Kinder und dass man nicht gehalten sein sollte, seinen Erpressungen nachzugehen, sondern ihm bestenfalls ein geweihtes Kreuz und ein paar Silberkugeln zu applizieren. Aber schön, wenn sich auf dieser schmalen Brücke wenigstens noch ein kleines Lehrstück über norddeutsche Solidarität, Vergebung und Güte transportieren lässt. Aber schlussendlich passt das alles irgendwie nicht zusammen.

So richtig albern aber wird es beim Durchblättern der alten Kirchenbücher aus den 1580er Jahren. Darin steht alles sauber in lateinischer Schreibschrift und hochdeutscher Sprache abgefasst. Im Kernland des Plattdeutschen! Platt war im Norden lingua franca! Und die Täuflinge haben alle merkwürdigerweise nur einen Vor- und Nachnamen. Das in einer Zeit, als mindestens zwei Vornamen absolut gang und gäbe waren. Also, lieber Herr Niemann, diesen kruden Unfug hätte man billig optimieren können! Haben Sie mal daran gedacht, das Kirchenbuch aus dem Jahre 1586 in Form eines Leitz-Ordners zu präsentieren und die Einträge getippt auf einer Continental-Reiseschreibmaschine? Das wäre doch mal ein Brüller gewesen! Dass Frau Kling mit einer Signalpistole zum Schluss auch noch den eigenen Kutter versenkt, der längs liegende verfluchte Seelenverkäufer Wavlews also quasi nur als Kollateralschaden zu Grunde fährt – na ja … soll halt so sein.

Wie gesagt, Biiekenbrennen ist nicht übel. Aber es ist und bleibt leider Gottes nur ein Abklatsch, eine zweitklassige Blaupause, ein Nachgehechel amerikanischer Vorlagen. Das ist jammerschade! Denn der Stoff hätte Potential gehabt, das man ohne Aufwand hätte mobilisieren und entwickeln können, wenn man nur nicht ständig von dem Wahn besessen wäre, man müsse dem deutschen Publikum unablässig amerikanisch gefärbten Kram servieren. Etwas anderes wäre in Deutschland unverdaulich und damit unverkäuflich. Irrtum!

Genau daran verreckte nämlich Biikenbrennen ohne Not auf dem deutschen Markt. Das hat es absolut nicht verdient. Hätte Herr Niemann den Mut zu eigener Feder gehabt, er hätte in Cannes abräumen und neue Standards setzen können. Und man möchte diesem fähigen Regisseur auf die Schultern klopfen und zurufen: „Mach was eigenes, Junge, und lass diese überseeische, unterirdische Arschkriecherei!“ Du hast eine Nase für gute Geschichten, du hast ein Händchen für gute Akteure und dein Kameramann ist auch nicht von Pappe. Alle Voraussetzungen sind da. Schmeiß das nicht weg! Amerika war gestern. Das hat seinen Platz und der bleibt ihm auch! Jawohl: „The Fog“ ist und bleibt ein Monument. Dem kann man seine Reverenz erweisen. Aber abkupfern – das kann nur schief gehen!

Ansonsten hier nun das abschließende Urteil des Preußischen Landboten zum „Biikenbrennen“: „Sollte man gesehen haben!“ und „Der Film ist keine Zeitverschwendung“.

 
B
13. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

06.01.2017