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St. Petri Brandenburg/Havel
Bauhistorische Untersuchungen

K. K. Bajun
Es könnte eigentlich die kürzeste Besprechung werden, die der Landbote jemals schrieb:
Dieses Buch entspricht in jeder Hinsicht und vollumfänglich dem Gegenstand seiner Betrachtung. Punkt. Fertig.

Der Haken an der Sache ist der, daß diese „Besprechung“ nur für den Leserkreis aussagekräftig wäre, der den Gegenstand der Betrachtung ebenfalls kennt. Und gut kennt! Und da wären wir dann auch schon in medias res: Die St. Petrikapelle zu Brandenburg an der Havel führt wohl mit Sicherheit das ungerechtfertigste Schattendasein aller Brandenburger Baudenkmäler.

Die Gründe dafür liegen beinahe auf der Hand: Wer schaut schon nach dem zehn Jahre alten 3er Golf, wenn daneben ein Phaeton steht. Das würde sich erst ändern, wenn man denn wüßte, daß der 3er das ehemalige Privatfahrzeug des Heiligen Vaters ist. Doch kein Schild, kein Hinweis macht den Besucher auf diesen denkwürdigen Umstand aufmerksam.

Leider ist auch dieses Buch – und das ist nun wirklich der einzige Wermutstropfen, den wir fanden – ob seiner nüchternen Bestandsaufnahme kaum geeignet, sich selbst und sein Kapellchen einem größeren Kreise vorzustellen. Der sachlich-wissenschaftliche Tenor ist dem Kontext der Zeit geschuldet und somit beinahe zwangsläufig für den berüchtigten Elfenbeinturm geschrieben. Völlig entbehrt er der Prosa der großen Stadthistoriker Grasow und Tschirch, welche man schon mal in der abendlichen Mußestunde vor dem Kamin bei einem guten Schoppen Rotwein liest.

Das ist etwas schade, denn geschrieben ist es ausgezeichnet. Was die trocken anmutende Darstellung an Informationen über das verkannte kleine Bauwunder anbietet, ist enorm. Zu bescheiden, zu modest! Hervorragend farbig gestaltete Farbzeichnungen, Aufrisse und sehr aussagekräftige Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit dazugehörigen Lageskizzen lassen keinen Quadtratmeter des Bauwerkes unberücksichtigt. Selbst die Maße der verwendeten Ziegel werden tabellarisch aufgelistet. Natürlich ist an dieser Stelle schon klar, an wen sich das Werk wendet – an fachkundiges Publikum. Dies aber ist dünn gesät. Das treibt die Auflagezahl nach unten und den Preis nach oben. Beides ist der Verbreitung sowohl des Buches als auch des Bekanntheitsgrades der Kapelle nicht eben förderlich.

Deshalb wollen wir an dieser Stelle einmal deutlich formulieren, worum es sich hier eigentlich handelt. St. Petri ist mit höchster Wahrscheinlichkeit die in Stein gegossene Nachfolgerin der einstigen Burgkapelle der Brandenburg. Hier, hier, hier ist die Wiege der Mark, nicht ein paar Meter weiter nordöstlich der von uns desungeachtet sehr geliebte Dom! Der ist über die alten Burgwälle hinüber gebaut, was seiner Statik übrigens sehr zu schaffen macht. Als am 11.Oktober 1165 die Bauarbeiten am heutigen Dom begannen, sein mutmaßlicher Vorgänger verschwand anläßlich des Großen Wendenaufstandes von 983 spurlos, da gab es bereits eine Burgkapelle, die dem Heiligen Petrus geweiht war. Sie stand inmitten der alten Burganlage, der Feste Brandenburg, des Stolzes der Stodoranen, die von den Sachsen Heveller genannt wurden, das Herz des mächtigen Gaus Heveldun. Dieser Bau war die Grablege des zum Christentum konvertierten letzten wendischen Knezen, des Fürsten Pribislaw-Heinrich und seiner Frau Petrussa. Mit größter Wahrscheinlichkeit ruht die heutige St. Petrikapelle auf den Fundamenten dieses Vorgängerbaus. An diesem Orte wurden die Weichen für die weitere Entwicklung der Mark gestellt. Das muß man den Leuten klar machen! Und sei es im Vorwort. Warum nur soviel vornehme Zurückhaltung in Wortwahl und Darstellung?! Da muß Herz rein, Begeisterung, Liebe, Enthusiasmus!

Natürlich macht der gewaltige Dom daneben weitaus mehr her – optisch, architektonisch, ausstattungstechnisch (welch häßliches Wort...) Die Blicke der Besucher werden immer zunächst auf ihn fokussiert bleiben. In der Bischofskirche tummelt sich das Leben, dort kann Direktor von Schnurbein mit Schätzen in seinem Dommuseum aufwarten, dort weisen die Nachfolger des großen Schößler das älteste Archiv der Mark Brandenburg vor, dort finden Festveranstaltungen und Konzerte statt. Nimmt der Besucher St. Petri wahr, wenn er sein Automobil vor dessen Kirchgartenmauer abparkt? Manchmal ruckelt jemand an der zumeist verschlossenen Türe. Die Ausstellungen unter dem überwältigenden Zellengewölbe, welches in seiner Schönheit an die Werke des genialen Arnold von Westfalen auf der Meißner Albrechtsburg erinnert, sind spärlich, die Aufsichtskräfte sind es in einem noch größeren Maße.

Propaganda tut not, Promotion, Trommeln und Trompeten!

Das kann natürlich eine bauwissenschaftlich gehaltene Abhandlung nicht so recht leisten. Völlig klar. Soll sie ja auch nicht. Ist nicht ihre Bestimmung. Deshalb sei ihr an dieser Stelle unter die Arme gegriffen.

Das Buch selbst – eine Preciose wie die Kapelle selbst. Wir sagten es schon. Vielleicht sollte man vor der Lektüre ein paar Mal mit dem Bauhistoriker Jens Christian Holst durch altes Gemäuer gegangen sein, um dem Duktus der Texte adäquat folgen zu können. Wenn man dann aber mit Läufern und Bindern, Gesimsen, Platten und Kehlen, Kämpfern und Friesen etwas anzufangen weis, dann erschließt sich einem der ganze ungeheure Reichtum dieses Kleinods. Dann liest sich das Ganze ungeheuer spannend. Man kann das Gebäude quasi auf einer virtuellen Zeitreise begleiten. Das Bauwerk wird in einem Maße erlebbar, wie es weder die bloße Betrachtung noch selbst eine kundige Führung vermitteln könnte. Daß St. Petri dieses Werk gewidmet ist, könnte helfen, die kleine sakrale Kostbarkeit bezüglich des Bewußtseins der Brandenburger und ihrer Gäste „intra muros“ zu expedieren. Beiden, Buch und Bauwerk, seien also an dieser Stelle wärmsten Herzens empfohlen und viel Resonanz gewünscht.

St. Petri Brandenburg/Havel
Bauhistorische Untersuchungen
Jörg Richter, Lennart Hellberg, Architekturbüro Padberg & Partner
Hrsg. Helmut Reihlen für das Domstift Brandenburg
Verlag Schnell + Steiner
1. Auflage 2007
ISBN 978-3-7954-2017-8
€ 39,90

 
B
5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007