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Der Tod eines Teemeisters
(Sen no Rikyu)
ein Film von Kei Kumei nach Motiven des Buches "Honkakubo Ibun" von Yasushi Inoue
Japan 1989

 

Ein Kronjuwel der Filmkunst.

Die Blätter sind vom Baum gefallen
Die Luft im Herbst ist kalt und klar.
Der an Erfahrung und Tugend hervorragende Mann
Wird den Zen-Tempel verlassen.
Hoffentlich kehrt er bald zurück
Und erzählt was sein Herz bewegt.
Der Kido

 

Akinokawa Michi san
Japan ausgangs des 16. Jahrhunderts. Es ist die „Zeit der kämpfenden Reiche“. Mächtige Feudalherren ringen in einem mörderischen, das Land auszehrenden Krieg um die Vorherrschaft. Doch abseits des blutigen Hauen und Stechens erblüht eine einzigartige Kunst. Ein Ausdruck zutiefst buddhistischen Gedankenguts: Der Teeweg. Der Chanoyu, wie ihn die Japaner nennen. Priester der spezifisch japanischen Form des Buddhismus, des Zen, tragen seine Traditionen fort und beschreiten immer neue Wege der Verfeinerung, der Sublimierung, der Perfektionismus.
Der Teeweg, das hat so gut wie gar nichts mit unserem morgendlichen Teebeutelaufbrühen zu tun. Der Teeweg – das ist Versenkung, das ist innere Einkehr, das ist Meditation, das ist Hinwendung zur umgebenden Natur, das ist das Einswerden mit der Weltseele. Es ist noch so viel mehr. Vor allem aber ist er kalt und steinig. Bar jeder Bequemlichkeit. Und doch voller Schönheit, hinführend zu klarer Erkenntnis und innerem Frieden. Aber es fällt schwer, den Teeweg verbal zu beschreiben, da er mit dem Herzen erfaßt werden will.
Einer der herausragendsten, wenn nicht überhaupt der größte Vertreter des Teeweges aber war Takana Sen no Rikyu san, der Teemeister des Fürsten Taiko, des Toyotomi Hideyoshi sama, des späteren Kampakus und somit mächtigsten Mannes Alt-Japans.
In unserem zauberhaften und hochkarätig besetzten Film wird in einer an Authentizität nicht zu übertreffenden Weise dieser Rikyu, dessen Name im Reich der aufgehenden Sonne so geläufig ist, wie bei uns Goethe, von Mifune Toshiro san gespielt. Herr Mifune, wir erinnern uns, prägte sich uns unauslöschlich ein als Kikoshiyo in Akira Kurosawas großem Heldenepos „Die Sieben Samurai“.
Nun lieh er diesem historischen Schwergewicht Rikyu seine Figur, seine Stimme. Kein leichtes Unterfangen, fürwahr! Doch eines Mifune Toshiro san würdig. Denn Herr Mifune war ein Ausnahmeschauspieler, einer, der Ehre einlegte für diese Berufsgruppe, deren Ansehen leider durch die Masse der vielen stotternden und blödelnden, der geschminkten und farblosen Mimen unserer Zeit systematisch demontiert wurde.
„Ja, “ sagt man sich, „so muß Meister Rikyu gewesen sein. So und nicht anders! Dieser ungekünstelte Ausdruck erhabener Würde, dieses gewaltige und dennoch nicht hochfahrend wirkende Selbstbewußtsein, diese Ruhe und Bedacht, dieser untrügliche Sinn für wahre Schönheit!“ Nun, 1591 verlosch in Kyoto, der alten Kaiserstadt, das Leben dieses 1522 in Sakai geborenen Giganten des Geistes durch Seppuko (Harakiri). Sein Dienstherr Hideyoshi san hatte ihm in einem Anfall von Rage den Selbstmord befohlen, weil der Sage nach Herr Rikyu anläßlich der Verabschiedung eines mißliebigen und daher verbannten Teemeisters ungefragt ein kalligraphisches Gedicht in dem Gemach präsentierte, in dem der Abschied ausgerichtet wurde. Dieses Gedicht war der „Kido“, der dieser Rezension eingangs präsidiert. Dieser Kido aber befand sich im Besitz des Taikos, des Fürsten Hideyoshi, der die Verbannung angeordnet hatte. Das Aufhängen dieser Schriftrolle war also ein Affront, ein leises aber unmißverständliches Erklären von Opposition gegen den Machthaber. Der verstand das wohl und reagierte entsprechend: Er befahl seinem Teemeister den rituellen Selbstmord Seppuko, den Europäern unter dem Namen „Harakiri“ geläufig. Diese unüberlegte Tat soll den Fürsten später gereut haben! Aber einmal ausgesprochen, behielt der tragische Befehl für den Teemeister seine Gewalt. Er fügte sich ihm, wie gesagt, an jenem schwarzen 28.Februar des Jahres 1591.
Diese Begebenheit zählt zu den Ereignissen von nationaler Bedeutung im Lande des Tennos.
Erzählt wird sie in unserem Film von einem (fiktiven?) Schüler Meister Rikyus, dem buddhistischen Mönch Honkakubo.
Okuda Eiji san, ein weiterer japanischer Schauspieler, hat sich dieser Rolle mit einer zu Herzen gehenden Bravour angenommen. Kein Lehrbuch könnte je das Wesen des Zens so nachhaltig und einfühlsam vermitteln wie das Auftreten Herrn Okudas in seiner Rolle als Zeitzeuge der Geschehnisse um seinen Meister.
Überhaupt – dieses Agieren der Schauspieler, die Mimik, die vergleichsweise spärlich gesprochenen Worte und Sätze, der sagenhafte Reichtum an betörend schönen Bildern und die wunderschöne Filmmusik, die dem europäischen Ohr so fremdartig und doch so harmonisch klingt, all das läßt uns begreifen, daß wir es hier mit dem Werk einer Hochkultur zu tun haben.
Ein Spalt weit öffnet sich uns die sonst so verschlossene japanische Seele, wenn der Regisseur Herr Kumei roten japanischen Ahorn im Herbstwind flirren läßt, wenn ein kleiner aufgeschreckter Erpel über einen kalten Wintersee unter der Morgensonne dahinflattert, wenn sich die Silhouette eines Schloßturmes schwer und doch von graziler Leichtigkeit gegen den Abendhimmel abhebt. Selbst die Düsternis einer bevorstehenden Schlacht tritt in prächtigster und doch gleichzeitig schlichter Schönheit vor unsere Augen, wenn die Truppen eines Heerführers zur letzten Teezeremonie vor der nächtlichen Kulisse des Jurakudai-Palastes angetreten sind.
Großer Gott, wie sehr ist das Yamato-Volk doch den Deutschen verwandt, indem es himmelstürmende Schönheit und unsterblich Erhabenes in derselben Stube einquartiert, in der sie schnaubenden Mord wüten läßt!
Meister Rikyus Lebensmotto war das „Wabi“, was in etwa das Prinzip der schlichten Schönheit beschreibt. Suche das Schöne im Einfachen und das Einfache im Schönen!
Insofern war die Herausforderung an den Regisseur, ein Film zu drehen, der sich mit dem Leben und Wirken dieses Mannes befaßt, immens. Herr Kumei hat sich dieser schwierigen Aufgabe nicht nur mit großem Mute gestellt, er hat darüber hinaus dem Teemeister Tanaka Sen no Rikyu san ein würdiges Monument errichtet. Ihm und seiner Lehre, der kalten und steinigen, aber gewaltlosen Lehre vom Weg des Tees.
Dieser Film ist selbst zu einem Bestandteil des Zens geworden, der es würdig ist, einem breiten Publikum vorgestellt zu werden. Denn dieses Werk gehört zu den unbezwingbaren Bastionen der Kultur, die von Kitsch, Verflachung und menschlicher Dummheit vergebens bestürmt werden.

B 1. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004